Rabenherz & Elsternseele
beste. So ähnlich musste sich Fliegen anfühlen.
»Respekt«, sagte Strix.
»Warum bist du so geschlichen?«, fragte ich.
Er zuckte mit den Schultern. »Wollte dich nicht überfordern.«
Wir lachten beide, aber dann wurde er wieder ernst. »Ich verrate dir, warum ich auf der Burg arbeite«, sagte er. »Ein Freund von mir ist verschwunden. Und ich bin fest davon überzeugt, dass von Meutinger etwas damit zu tun hat.«
Mein Herz schlug schneller. Noch jemand, der den Falkner verdächtigte, in finstere Machenschaften verwickelt zu sein! »Wie kommst du denn darauf?«
»Er hat sich vor einem Monat an Bubos Mutter herangemacht. Bubo konnte ihn nicht leiden. Und nun ist er seit zwei Wochen weg. Seine Mutter glaubt, er wäre mal wieder abgehauen, und will nichts unternehmen.«
»Also verschwindet dein Freund öfter?«
»Na ja. Das ist bei ihm … Er kann nicht … Aber das ist egal. Er hätte mir Bescheid gegeben, wenn er vorgehabt hätte abzuhauen. Außerdem gibt es noch andere Gründe, warum ich glaube, dass von Meutinger ihn gefangen hält. Ich kann es dir nicht erklären, aber es passt alles zusammen.«
»Hat dein Freund auch etwas mit Vögeln zu tun?«
Ich sah Strix’ Miene an, dass er sich nun unwohl in seiner Haut fühlte. Offenbar hatten wir beide mit Geheimnissen unsere Schwierigkeiten.
»Kann man so sagen.«
So unschuldig wie möglich lächelte ich ihn an. »Aber fliegen kann er wohl nicht, oder vielleicht doch?«
Strix musterte mich mit gerunzelter Stirn, sein Mund sah aus, als hätte er eine Zitronenscheibe darin, die er lieber ausgespuckt hätte. Sein Schweigen ließ mich ahnen, dass ich ins Schwarze getroffen hatte und sich unsere Geheimnisse ähnelten. »Stell dir vor«, sagte ich, »es gibt Leute, die glauben wirklich, es gäbe Menschen, die sich in Vögel verwandeln können.«
Sein Blick blieb misstrauisch, aber auch hellwach. »Ach ja? Na, so einen flugfähigen Vogelmenschen könnten wir jetzt gut gebrauchen. Du kennst nicht zufällig einen?«
Vor meinem inneren Auge sah ich die hinkende Jori vor mir, die sich noch nicht einmal von ihrer letzten Verwandlung erholt hatte. Ich zuckte mit den Schultern und betrachtete scheinbar interessiert den Lenkervorbau meines Rades. Nun war die Entscheidung fällig: Durfte ich Strix einweihen? Da sein Freund in der Sache mit drinsteckte, konnte er womöglich nützlich sein.
»Mann, schweigst du laut«, sagte er. »Komm schon, raus damit! Ich mach auch den Anfang. Ja, ich weiß, dass es Vogelmenschen gibt. Und ich denke, von Meutinger weiß es auch, und er mag sie nicht. Er hat meinen Freund gekidnappt, da bin ich sicher.«
Erleichterung durchströmte mich. Unter diesen Umständen konnte ich ihm bestimmt vertrauen. »Ist dein Freund ein Vogelmensch? Ist er ein Habicht? Oder gibt es noch andere?«, fragte ich.
Er lächelte und schien ebenfalls erleichtert zu sein. »Ein Uhu. Ob es noch mehr von der Sorte gibt, weiß ich nicht. Ich bin außer Bubo noch keinem begegnet.«
Es war schon merkwürdig, aber inzwischen wunderte ich mich ebenso sehr über den blöden Namen wie darüber, dass mir jemand gestand, er sei mit einem Uhu befreundet. »Bubo? Was ist das eigentlich für ein Name?«
»Der wissenschaftliche Name für Uhu. Eigentlich heißt er Laurentius. Bubo darf nur ich ihn nennen. Du kennst also auch einen Vogelmenschen, ja? Bist du mit einem Habicht befreundet?«
»Habicht: ja. Befreundet: geht so. Ich kenn sie noch nicht lange. Sie und ich sind auf der Suche nach ihrer Mutter. Und nach meiner Oma, aber das hat vielleicht nichts damit zu tun.«
»Wow. Das wird ja immer besser. Ist deine Oma auch ein Vogel?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste.«
»Und ist deine Habicht-Bekannte gerade flugfähig?«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, dann wird sie erst in einem Monat wieder fliegen können. Ich glaube nicht, dass sie uns im Moment eine große Hilfe sein wird.« Ich sah wieder Joris Klaue vor mir. Nein, viel tun konnte sie in diesem Zustand bestimmt nicht. Aber mir war es sowieso lieber, wenn sie sich raushielt. Ich konnte mir schon vorstellen, wie dieser Strix sie anstarren würde, wenn er sie zu Gesicht bekam. Wahrscheinlich wäre dann mit ihm nichts mehr anzufangen.
»Macht sie auf Monster?«, fragte er. »Du kennst das ja noch nicht so. Aber Bubo hat manchmal, wenn er sich zurückverwandelt … Oh Mann, ich kann dir sagen, manchmal ist er echt Horror. Einmal hat er noch zwei Tage lang einen Schnabel im Gesicht
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