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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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das dunkle Innere des Bergfrieds. Hakenschnäbel waren darin nicht zu sehen, nur noch mehr dumme Tauben. Und in der Mitte des Raumes, auf dem Boden, da glänzte etwas hübsch. Flink schlüpfte ich durch das runde Fenster in den Turm. Es war verlockend, die Tauben mit einem lauten Keckern aus ihrer Faulenzerei aufzuscheuchen, aber für das Gelingen meines Planes war es deutlich besser, wenn ich kein Spektakel machte.
    Das hübsche Blinken kam von einem Ring, der in den Boden eingelassen war. Nein, das war nicht der Boden, sondern eine verschlossene Klapptür nach unten. Ich legte den Kopf schief und lauschte. Leise Vogelgeräusche drangen an mein Ohr. Schnabelklappern, Federschütteln, Schlummerkrächzen. Waren das die gefangenen Hakenschnäbel? Ich musste hinunter und nachsehen. Aber die Klappe war zu.
    Die Tauben musterten mich misstrauisch, während ich durch den Raum flatterte und ein Loch im Boden suchte. Nah an den Wänden gab es Lücken zwischen dem Holz und der Steinwand. Mit angelegten Flügeln kam ich hindurch, auch wenn ich mit meinen kostbaren Schwungfedern am Stein entlangschabte, was sicher nicht gut für sie war. Da musste ich gleich erst mal auf dem Balkenende sitzen bleiben, das hier aus der Wand ragte, mich hurtig putzen und alle Federn in Ordnung schütteln. So, nun konnte es weitergehen.
    Ja, da waren sie. Fünfzehn verschiedene Hakenschnäbel saßen im Kreis auf ihren Stangen, mit den Füßen daran gefesselt. Auf ihren Köpfen hatten sie Hauben mit hochstehenden Federbüscheln zur Verzierung. Wie lächerliche kleine Krönchen sahen die aus.
    Stumm und gelangweilt saßen die Vögel da, als würden sie alle schlafen. Direkt unter mir hockte ein weißer Gerfalke und gegenüber ein Uhu. Einen Uhu sollte ich suchen und befreien, erinnerte ich mich. Und olle Streiflinghakenschnäbel. Hühnerhabichte, Habichthühner. Beinah hätte ich keckern müssen, aber ich verkniff es mir und begutachtete die Gefangenen. Keine Habichte dabei. Wo waren sie?
    Vorsichtig und geräuschlos segelte ich hinunter zu einer offenen Klapptür. Aha, noch ein Stockwerk voll Hakenschnäbel und eine weitere offene Luke. Offene Türen waren gut, wenn man jemanden befreien wollte. Mit einem weiteren geräuschlosen Schwebeflug gelangte ich hinunter und sah mich dort um. Da waren die Habichthühner. Schön nebeneinander untergebracht und total ruhiggestellt. Hätte ich nicht gewusst, dass es an den Hauben lag, wäre mir unheimlich zumute geworden, weil sie alle fast wie ausgestopft wirkten. Welcher war Jori? Egal, ich musste sie sowieso beide losmachen. Aber einen Moment konnten sie noch sitzen bleiben. Erst wollte ich mich weiter umschauen.
    Hüpfend drehte ich mich um meine eigene Achse. Irgendwie fand ich das Gehopse und Gestelze auf dem Boden schwieriger als Fliegen. Dabei kamen die anderen Elstern damit immer so flott voran. Das würde ich noch üben müssen. Konzentriert wippte ich mit meinem Schwanz, um die Balance zu halten, blickte hoch und wollte vor Schreck über das, was ich sah, rückwärtsgehen. Weil das gar nicht klappte, purzelte ich ungeschickt auf die oberste Treppenstufe unter der offenen Klapptür hinunter. Von dort aus starrte ich zu dem Sitzblock, der den Habichten gegenüber an der Wand stand. Darauf saß der größte Greifvogel, den ich je gesehen hatte. Auch er trug eine Haube, ein besonders geräumiges Modell, das den ganzen Kopf verbarg. Aber an seinem nackten Hals erkannte ich, dass es sich um einen Kondor handeln musste. Ein gruseliges Vieh mit einer bösartigen Ausstrahlung. Das war niemand, den ich befreien wollte, so viel war klar. Neben ihm stand sein leerer Riesenkäfig. Darin hätte glatt ein Mensch Platz gehabt.
    Plötzlich hörte ich aus den Räumen unter mir Schritte. Jemand stieg eine Treppe hinauf. Eilig flog ich hinunter und versteckte mich auf einem Schrank zwischen ein paar Schuhkartons. In diesem Raum war nur eine Öffnung im Boden mit einem Geländer darum herum, keine Holzklappe. Mir wurde klar, dass ich mich im Schlafzimmer des Falkners befand. Eine hübsche kleine Kiste bewahrte er auf seinem Nachttisch auf. Mit bunten und glitzernden Kinkerlitzchen war sie verziert. Sehr hübsch. Das musste ich mir unbedingt aus der Nähe ansehen. Ich wollte mich schon auf den Weg machen, da erschien der Kopf einer Frau in der Luke, die nach unten führte, und ich duckte mich schnell hinter einen Karton.
    Schon betrat die Schwester des Falkners den Raum. Sie sah grimmig aus. Missmutig warf sie einen Arm

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