Rabenherz & Elsternseele
voll Wäsche in den Wäschekorb und ging wieder. Stampf, stampf, stampf, die Treppe hinunter. Klapp, eine Schranktür. Und noch ein Treppe. Und Rums, die Haustür. Oder besser gesagt, die Turmtür.
Sie war draußen. Sicher half sie dem Falkner mit den Hakenschnäbeln. Jetzt war die Gelegenheit günstig, sich unten im Haus umzusehen. Aber da war auch die schöne, bunte Kiste. Was für eine schwierige Entscheidung. Nein! Erst die Arbeit, erst nach unten! Mit einem gewagten Kopfsprung schwang ich mich durch die Öffnung im Boden und schoss die Treppe hinab bis ins Wohnzimmer. Langweilige Einrichtung, nichts glitzerte. Nur eine Holzschale mit Knabbersachen auf dem Tisch, die musste ich untersuchen, schließlich konnte ich nicht wissen, wann ich wieder Futter finden würde. Versehentlich landete ich mit einer Klaue auf der Fernbedienung, die da rumlag. Als ich herunterhopste, fiel mir das Glänzen in der Brille daneben auf, und ich musste wenigstens ein Mal mit dem Schnabel danach stupsen. Nettes kleines Geräusch – klick – gleich noch mal – klick. Lustig. Was sagt die Fernbedienung, wenn ich mal … Nein, erst nachsehen, was da Leckeres in der Schale ist. Brezeln, Flips und eine Erdnuss. Hm, eine Erdnuss und da noch eine, ganz unten. Blöde Schüssel, rutscht immer weg, mal sehen, ob ich sie mit der Klaue …
Die Schale kippte ihren halben Inhalt aus und richtete sich dann wieder auf. Der Schreck verscheuchte mich vom Tisch und rief mir ins Gedächtnis, wozu ich im Turm war.
Rasch flog ich ins Erdgeschoss hinunter. Dort standen die Käfige mit den weißen und gelben Wimmeltieren. Leichte Beute, wenn ich es schaffte, so eine kleine Käfigtür aufzu… Pia, nun reicht’s aber, rief ich mich zur Ordnung. Reiß dich zusammen! Eine Küche gab es noch und eine verschlossene Tür, vielleicht war dahinter das Bad. Auf dem Tisch in der Küche lag ein Ring mit drei Schlüsseln daran und einem Schild, auf dem etwas stand. Ich wollte es lesen, konnte aber nicht. Irgendwie funktionierten meine Augen nicht richtig. Oder mein Kopf? Egal, es konnte nichts schaden, diese schönen Schlüssel mitzunehmen. Sie glänzten. Ich würde sie in mein Nest legen. Dort konnte ich sie immer ansehen.
Der Schlüsselbund war schwer, aber ich brachte ihn trotzdem nach oben. Im Schlafzimmer setzte ich mich neben die kleine Kiste auf den Nachttisch und hackte ein bisschen in den Deckelspalt, bekam sie aber nicht auf. Dabei tat ich mir am Schnabel weh. Wütend stemmte ich mich mit einem Fuß gegen das Ding und schob es zum Tischrand. Es musste doch zu etwas gut sein, dass ich sonst ein Mensch war.
Die Kiste krachte auf den Boden, und der Deckel sprang auf. Es kam etwas zum Vorschein, was ich unbedingt mitnehmen musste. Eine kostbare, verzierte Fußfessel und eine Haube. Ich hatte gesehen, dass nicht alle Vögel oben die gleiche Art Fesseln trugen. Nur wenige sahen aus wie diese. Und genau das hatte Oma gesagt: die Fußriemen, die die Verwandlung bewirken können, wären sehr alt, noch aus magischer Zeit. Du wirst sie von den gewöhnlichen unterscheiden können und daran erkennen, welche Vögel du befreien musst.
Meine gesamte Beute konnte ich nicht auf einmal tragen, deshalb flog ich mehrmals nach oben und stopfte die Schlüssel, die Fessel und die Haube durch den Spalt in das oberste Stockwerk zu den dummen Tauben.
Und nun kam der schwierige Teil: die Hakenschnäbelbefreiung, ohne dabei zu Futter für diese Gierhälse zu werden. Zuerst den Uhu, zu dem war der Weg am kürzesten.
Ich näherte mich vorsichtig zu Fuß und fand dabei erfreut heraus, wie das mit dem Zufußgehen am besten funktionierte. Man musste mit herausgestreckter Brust stolzieren und bei jedem Schritt mit dem Kopf nach vorne rucken, dann lief es mit der Balance wie von allein. Vor Begeisterung marschierte ich gleich noch einmal im Kreis, bremste mich dann aber. Der Uhu, ermahnte ich mich.
Der Uhu döste weiter und schien mich nicht einmal zu bemerken, als ich mich mit dem Schnabel an dem Knoten zu schaffen machte, mit dem die lange Leine am Ring des Sitzblocks befestigt war. Zum Glück hatte Oma mir genau gezeigt, wie die Fußfesseln angebracht wurden. Es war gar nicht so einfach, denn man musste wissen, dass das Geschüh nur von den Füßen gelöst werden konnte, wenn man vorher die Kurzfessel entfernte – den Riemen, der beide Füße zusammenband. Und diese konnte man nur lösen, wenn man vorher die lange Leine durch ihre Metallöse herauszog. Für jeden Vogel
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