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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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musste ich also zwei Knoten öffnen und mehrere Riemen durch mehrere Ösen und Schlaufen ziehen. Und das alles mit einem Schnabel und höchstens einem Fuß zur Hilfe, wenn ich nicht wieder auf mein Hinterteil plumpsen wollte.
    Als ich zu dem Uhu hochflatterte und mich mit klopfendem Herzen und fluchtbereit seitlich an seinen Sitzblock klammerte, zuckte er zusammen. Sonst tat er zu meiner Erleichterung nichts, außer ein Schrittchen zur Seite zu treten. Ich packte mit dem Schnabel das knubbelige Ende seiner langen Leine, sprang vom Block ab und zog sie dabei durch die Öse der Kurzfessel. Bis zur Decke musste ich anschließend fliegen, bis ich das blöde Ding ganz herausgezogen hatte.
    Der Uhu benahm sich weiterhin, als sei er ausgestopft, deshalb landete ich diesmal ohne Bedenken wieder bei ihm und zerrte an seiner Kurzfessel, bis ich sie losgeworden war. Nun musste ich mit dem Schnabel direkt an seinen Klauen herumfuhrwerken, obwohl der Große schon so gut wie frei war und mich jederzeit packen konnte. Beherzt zupfte und zog ich trotzdem und merkte endlich, dass er mir zwar schwach, doch immerhin etwas half, indem er mir seine Beine entgegenstreckte.
    Nachdem ich die zweite Fessel bewältigt hatte, wartete ich nicht ab, was er nun tun würde, sondern schnappte mir die alten, verzierten Riemen und brachte sie ins Dachgeschoss. Das ganze Zeug würde ich später für immer verschwinden lassen.
    Als ich mich wieder zu dem Uhu umblickte, kippte er gerade vornüber von seinem Sitzblock, als sei er nun endgültig tot oder zumindest ohnmächtig. Bei allem Ernst der Lage sah es doch komisch aus, wie er auf den Boden klatschte, und ich konnte mir den Ansatz eines Keckerns nicht verkneifen. Ich hatte mir noch nicht überlegt, ob ich etwas für ihn tun konnte, da fing er schon an, wie ein Irrer mit den Flügeln um sich zu schlagen. Er taumelte herum und prallte gegen Sitzblöcke und Wände, der offenen Luke immer gefährlich nah. Er wurde nicht gerade geschickter durch die Tatsache, dass sich seine Füße veränderten. Mir wurde klar, dass ich ihm wohl doch besser gleich die Haube hätte abnehmen sollen. Offenbar verwandelte er sich und war panisch, weil er nichts sehen konnte.
    Mit einem Schnarren, das in meiner menschlichen Form wohl ein Seufzen gewesen wäre, flog ich hinunter zu ihm und krallte mich erbarmungslos an seinem Rücken fest. Das beruhigte ihn nicht gerade, aber ich ließ mich durch seine wilde Zappelei nicht abschütteln und schaffte es, den Knoten hinten an seiner Haube zu lösen und sie ihm vom Kopf zu rupfen, gerade als er die Treppe hinunterfiel und mich mit sich riss. Wir kamen als wirres Federknäuel unten an und brachen uns nur deshalb nichts, weil wir leicht und ziemlich gut gepolstert waren. Ich stellte fest, dass ich auf Bubos Bauch saß, als ich mich berappelte. Er lag ganz ruhig auf dem Rücken, die Flügel zu beiden Seiten ausgebreitet, und starrte mit seinen großen Eulenaugen nach oben, als würde er da ein Wunder beobachten. Aber vielleicht war er ja auch tagblind und sah immer noch nicht viel. Ich dachte noch darüber nach, da zuckte und bebte er unter mir, und weil ich selbst von unserem Sturz etwas benommen war, kapierte ich erst, was geschah, als ich plötzlich auf der Brust eines nackten Jungen saß.
    Schockiert wollte ich auffliegen, aber seine Reflexe funktionierten überraschend gut. Er packte mich mit beiden Händen und hielt mich fest. Ich flatterte und hackte nach seinen Händen. Hilfe, was wollte der denn jetzt? Er sollte mich bloß loslassen.
    Stattdessen änderte er seinen Griff und umfasste mit einer Hand meinen Schnabel, sodass ich mich nun gar nicht mehr wehren konnte. Mann, war ich sauer. Dem würde ich bestimmt nicht noch mal helfen, ha!
    Zu meiner völligen Entgeisterung küsste er mich auf meine schwarz-weiße Brust und ließ mich dann los. Küsst einen Vogel! Hat man sowas schon gehört? Igitt! Oller Mensch. Angewidert flatterte ich rückwärts von ihm weg. Er lachte leise. »Danke«, sagte er.
    Na gut, meinetwegen. Einmal würde ich ihm das durchgehen lassen. Ich keckerte leise und abfällig, dann flog ich schnurstracks zu dem linken Habicht, von dem ich annahm, dass es Jori war. Energisch fing ich an, den ersten Knoten zu bearbeiten, und hoffte, dass Bubo schlau genug sein würde, mir zu helfen.
    Tatsächlich begriff er und nahm mir die Arbeit ab, auch wenn seine Hände sich dabei kaum geschickter anstellten als mein Schnabel. Er bewegte sich so langsam, dass ich mir

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