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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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der schlechten Erfahrung mit dem bösen Rudolf von Meutinger schlau geworden sah ich zuerst durch den Türspion nach draußen. Es war nicht Oma. Aber immerhin der Zweitbeste: Strix.
    Ich wusste zwar nicht, was er hier machte, weil wir nicht verabredet waren, doch Oma hatte den Tisch ja für drei gedeckt. Wahrscheinlich hatte er mit ihr telefoniert, als ich unterwegs gewesen war.
    Ich riss die Tür auf, sagte »Komm rein!« und wollte unheimlich gern von ihm umarmt werden. Leider waren wir in dieser Hinsicht beide schwierig. Immer wenn ich mir gerade sicher war, dass ich ihn umarmen wollte, schien er überhaupt nicht an so etwas zu denken. Und wenn er Andeutungen in der Art machte, fand ich den Moment unpassend.
    Jetzt war es wieder so. Sein Gesichtsausdruck und seine Haltung wirkten ungefähr so kuschlig wie ein gereiztes Stachelschwein. Statt ihn zu umarmen hielt ich mich also am Garderobenhaken fest.
    »Hast du mit Oma gesprochen? Ging es ihr da noch gut?«, fragte ich, während er die Tür hinter sich schloss.
    Er war schon dabei, sein Kapuzenshirt auszuziehen, weil ihm in geheizten Häusern immer sofort zu warm wurde. Nun ließ er jedoch die Arme wieder sinken. »Geht es ihr jetzt etwa nicht mehr gut?«
    Ich ging mit ihm in die Küche und fing an zu erzählen. Er hatte die halbe Schachtel Ingwerkekse verputzt, bevor ich mit meinem Bericht fertig war. »Klar rufen wir an«, sagte er. »Meine Tante arbeitet in einem Krankenhaus an der Rezeption. Da rufen dauernd Leute wegen so was an.«
    Zielstrebig fand er das Telefonbuch, wählte die Nummer und erkundigte sich nach Oma, während ich die Tischkante so fest umklammerte, dass mir die Fingernägel schmerzten. Offenbar wurde er immer weiter vermittelt, denn er stellte dieselbe Frage noch zwei Mal. Dann hielt er mir auf einmal das Telefon hin. Hastig drückte ich es ans Ohr.
    »Pia?«, fragte eine matte Stimme.
    »Oma? Wie geht es dir? Was ist passiert?«
    »Sie sagen, mein Herz ist nicht in Ordnung, Schätzchen. Aber mach dir keine Sorgen, es geht mir schon wieder besser. Ich muss nur eine Weile hierbleiben. Ruf deine Eltern für mich an, ja? Ich kann nicht so viel telefonieren.«
    Omas Stimme war so leise, dass ich es nicht eine Sekunde lang fertigbrachte, mir keine Sorgen zu machen, aber ein bisschen erleichtert war ich trotzdem.
    Als ich auflegte, stand Strix gebückt vor dem Ofen und sah hinein. Er räusperte sich. »Sag mal, Pica, können wir vielleicht trotzdem …«
    Süß, wie er nun mich ansah, auch wenn die Sehnsucht in seinem Blick zweifellos der Pizza galt. »Klar. Zweihundert Grad und den rechten Knopf auf Ober- und Unterhitze. Ich bin froh, dass du da bist, sonst würde ich womöglich das ganze Blech allein leer essen. Ich hätte vorhin schon fast Erdnussflips aus einem Mülleimer im Park genascht.«
    Strix schaltete den Ofen an, setzte sich und brachte seinen Stuhl in die für ihn übliche Sitzposition. Lehrer nannten es Kippeln.
    »Ach ja, du warst ja Fliegen. Hast du was Neues gelernt?«
    Er wirkte ziemlich geistesabwesend, aber ich war zu begeistert von meinen Fortschritten, um ihm nicht trotzdem von meinem Salto zu erzählen.
    Normalerweise hätte er wenigstens so getan, als wäre er beeindruckt. An diesem Tag war ich nicht mal sicher, ob er zugehört hatte. »… und dann hat der Pudel mich erwischt und gefressen«, sagte ich.
    »Ha, ha, sehr witzig.«
    In so mieser Stimmung hatte ich ihn noch nie erlebt. Dabei hätte das doch wohl eher mir zugestanden. »Was ist denn mit dir los? Geht dir das mit Oma auch so an die Nieren?«
    Er zuckte mit den Schultern und warf einen Verlegenheitsblick auf den Ofen. »Na ja, sagen wir mal, das ist der Schokostreusel auf dem Sahnehäubchen. Aber ich will dich jetzt echt nicht noch mit meinem Kram nerven. Wie lange muss die Pizza im Ofen bleiben?«
    »Eine halbe Stunde. Und du kannst es mir ruhig sagen. Es nervt mich mehr, wenn du es nicht tust.«
    »Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass ich es auch deiner Oma erzählen kann. Die ist immer so … Was für ein Mist! Willst du nicht noch mal versuchen, deine Eltern anzurufen? Die würden im Krankenhaus bestimmt mehr erfahren.«
    »Ich habe ihnen eine SMS geschickt. Wenn einer von ihnen sein Handy wieder anmacht, werden sie anrufen. Willst du mit dem Erzählen warten, bis Oma wieder zu Hause ist? Ich glaube nicht, dass sie heute noch zurückkommt.«
    Er seufzte und stellte seinen Stuhl zur Abwechslung auf alle vier Beine. »Gestern Abend haben zwei Polizisten bei

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