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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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von Herrn García.«
    Wir mussten beide lachen, als wir an Herrn García dachten, der als Mensch ebenso auffallend groß war wie als Kondor. Wir hatten ihn nur in geliehener Kleidung gesehen, die ihm viel zu eng und zu kurz gewesen war.
    »Stimmt. Aber dageblieben sind sie nicht. Jori hat mich mal angerufen. Um sich zu bedanken und so. Sie war echt nett.«
    Und so? Echt nett? Na, meinetwegen. Mir hatte sie jedenfalls nicht gedankt. Genauso wenig wie ihre Mutter. Da waren sie beide ganz Habicht geblieben, obwohl ich nicht unbeteiligt daran gewesen war, ihnen ihre Angeber-Schwanzfedern zu retten.
    Mit Bubo verstand ich mich inzwischen ganz gut. Er war ziemlich schlau. Vielleicht war es wirklich keine schlechte Idee, mit ihm gemeinsam diese Frau Winterstein zu treffen.
    Wir holten gerade die Pizza aus dem Ofen, da rief Mama an. Sie saß mit Papa schon im Auto, weil sie sich sofort auf den Heimweg gemacht hatten, nachdem meine Nachricht bei ihnen angekommen war. Ich musste noch einmal alles erzählen, und Mama fragte tausendmal, ob es mir auch wirklich gutginge. So, als hätte ich die Herzprobleme und nicht Oma. Seit Mama von meiner, sagen wir Flugveranlagung wusste, war sie viel besorgter um mich als früher. Manchmal nervte das schon ein bisschen.
    »Hör zu, Mama, wenn wir noch länger telefonieren, wird es mir gleich nicht mehr gutgehen. Dann hat Strix nämlich die Pizza allein aufgegessen. Wir sehen uns doch bald. Ruf lieber noch mal im Krankenhaus an.«
    Das sah sie offenbar ein, und ich konnte endlich auflegen.
    Strix saß vor seinem Teller und sah mich vorwurfsvoll an. »Ich habe noch nicht einmal angefangen zu essen. Jetzt denkt deine Mutter, ich wäre total rücksichtslos.«
    »Ach was. Die weiß, dass das ein Witz war.«
    Das Schöne an meiner Freundschaft mit Strix war, dass wir uns in jeder Lebenslage zumindest über das Radfahren unterhalten konnten. Dabei vergaßen wir jeden Ärger, und wir schafften tatsächlich das ganze Blech Pizza, bevor einer von uns wieder an Polizei, gruseliges Unheil oder Herzkrankheit dachte.
    Leider konnte das nicht so weitergehen. Strix hatte schon ein paar Anrufe nicht angenommen, aber schließlich ging er doch ans Handy. Es war sein älterer Bruder, der extra wegen der Sache mit dem geklauten Fahrrad an diesem Wochenende nach Hause gekommen war.
    Man konnte richtig sehen, wie Strix nach dem kurzen Gespräch mit ihm aufatmete. Er half mir noch, die Küche aufzuräumen, dann brachen wir beide auf. Wir verabschiedeten uns vor dem Haus, wo er sein Rad gegen die Wand gelehnt hatte.
    »Du solltest es wirklich abschließen, wenn du es hier vorne stehen lässt«, sagte ich.
    »Das mache ich sonst auch immer. Ich war vorhin nur so genervt, dass ich es vergessen habe.«
    »Kein Wunder. Rufst du mich an, wenn es was Neues gibt?«
    »Hm. Was machst du morgen?«
    »Keine Ahnung. Kommt darauf an.«
    »Okay. Na ja, vielleicht … Ich ruf dich an.«
    »Okay.«
    »Na, dann. Abflug.«
    »Ja. Strix?«
    »Ja?«
    »Danke. Für …«
    »Fürs Pizza-Essen? Gern geschehen. Dir auch danke.«
    »Für die Pizza? Die hat Oma doch gemacht.«
    Wir grinsten beide, und eigentlich wäre das nun wirklich ein guter Moment gewesen, uns zu umarmen. Genau genommen hatte ich sogar das Gefühl, dass wir schon dabei waren, aufeinander zuzugehen. Doch ein hässliches Krächzen funkte dazwischen. Der Urheber saß auf dem Dach. Es war eine große Krähe, die auf eine durchgedreht wirkende Art in gleichmäßigen Abständen den Kopf vorreckte und ihrem Ärger über Was-auch-immer Luft machte.
    So verpassten wir also den perfekten Moment für eine Umarmung, indem wir eine olle Krähe anstarrten.
    »Tschüss dann«, sagte Strix schließlich und schwang sich mit seiner unnachahmlichen Leichtigkeit aufs Rad. Gleich darauf sah ich von dem nettesten Jungen, den ich kannte, nur noch einen Kondensstreifen.
    Ich warf der Krähe, die nun den Schnabel hielt, noch einen finsteren Blick zu, dann holte ich mein heiß geliebtes rotes Flügelross aus Omas Fahrradschuppen und machte selbst ebenfalls den Versuch, meinen Geschwindigkeitsrekord für den Heimweg zu brechen.
    Die Krähe war nicht mehr zu sehen.

    Mama und Papa waren auch erst seit ein paar Minuten zu Hause, als ich ankam. Sie wussten inzwischen, dass Oma tatsächlich einen kleinen Herzinfarkt gehabt hatte, vielleicht operiert werden musste, auf jeden Fall aber länger im Krankenhaus bleiben würde. Sie sollte am nächsten Tag in die größere Klinik nach Braunschweig verlegt

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