Rabenherz & Elsternseele
uns geklingelt und gefragt, ob sie mal in meinen Bastelschuppen gucken dürften. Ich bin mit ihnen raus und wusste gleich, dass etwas seltsam ist. Ich habe zwar ein Vorhängeschloss für die Schuppentür, aber ich mache es nie zu. Als wir hinkamen, war es verschlossen, und ich musste erst wieder ins Haus, um den Schlüssel zu holen. Beim Aufschließen hatte ich schon richtig Angst. Und der eine Polizist fragt noch blöd, warum ich so nervös wäre. Wahrscheinlich hätte es keinen Sinn gehabt, ihm das zu erklären. Und dann war es sowieso zu spät. Da stand nämlich ein fremdes Fahrrad im Schuppen, ein nagelneues Trekkingrad mit superteuren Teilen dran. Die beiden fingen an, auf mich einzureden, Mama kam und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, die Kleinen gafften, und Papa brüllte herum. Und nun bin ich offenbar ein Fahrraddieb. Die Polizisten meinten, sie würden sich heute wieder melden. Darauf wollte ich nicht warten, also bin ich raus und habe dich angerufen. Du bist nicht rangegangen, deshalb habe ich Zeit totgeschlagen. Als ich es wieder versucht habe, hatte ich deine Oma dran, und die hat mich zum Essen eingeladen.« Damit beendete er seine Geschichte.
Ich musste vor Entrüstung nach Luft schnappen. »Das gibt’s doch nicht! Und hast du einen Verdacht, wer dir das Rad untergeschoben haben könnte?«
Einen Augenblick lang sah er mich an, dann lächelte er. »Ich wünschte, das wären die ersten Worte meiner Eltern gewesen, nachdem die Polizei ihnen mitgeteilt hatte, dass das Rad gestohlen ist.«
»Was haben sie denn gesagt?«
»›Wie konntest du nur?‹ und ›Das wird Konsequenzen für dich haben.‹ Sie haben mir gar nicht zugehört. Man könnte meinen, dass die Wahrheit ihnen egal ist. Ich frage mich die ganze Zeit, ob ich sie schon so oft enttäuscht habe, dass sie mir überhaupt nicht vertrauen.«
Es war ihm anzusehen, dass die Unfairness seiner Eltern für ihn das Schlimmste an der Sache war. »Die waren bestimmt nur geschockt, weil die Polizei bei euch aufgetaucht ist. Wenn sie sich beruhigt haben, kannst du es ihnen vielleicht erklären«, versuchte ich, ihn zu trösten.
»Aber was, wenn ich es ihnen gar nicht mehr erklären will? Ich sehe nicht ein, darum zu betteln, dass sie mir glauben.«
Das hielt ich zwar nicht unbedingt für vernünftig, konnte es aber verstehen. »Also gut. Dann lass uns überlegen, wer es gewesen sein könnte. Ich glaube nicht, dass der Dieb seine Beute zufällig in deinem Schuppen versteckt hat. Gibt es jemanden, der dich genug hasst, um dafür sogar ein Rad zu klauen? Oder war es vielleicht der Besitzer selbst?«
Strix schüttelte seufzend den Kopf, sprang auf und tigerte erst zum Ofen, dann zum Kühlschrank. Er musterte die Milchspritzer, die ich an einer Schranktür übersehen hatte. »Ich habe mir schon den Kopf darüber zerbrochen. Aber ich kenne niemanden, der so ein teures Spießerrad besitzt. Und mir fällt auch keiner ein, der so einen Hass auf mich haben könnte.«
»Also war es ein Irrtum? Eine Verwechslung? Der wollte das Rad gar nicht dir, sondern jemand anders unterschieben?«
»Ich wünschte, es wäre so. Dann müsste ich mir zumindest keine Gedanken machen, dass plötzlich einer aus den Büschen springt, der meinen Tod will. Das fühlt sich mega mies an. Echt gruselig.«
Bei echt gruselig fiel mir ein, dass sich die gruseligen Geschehnisse verdächtig häuften, und mein mulmiges Gefühl wurde stärker. »Da gibt es noch etwas Unheimliches«, sagte ich.
Strix schien richtig erleichtert darüber zu sein, dass er nicht der Einzige mit einem Gruselproblem war. Gespannt setzte er sich wieder mir gegenüber. »Schieß los!«
»Eine Vogelmenschensache. Oma hat eine Frau getroffen, die ihr eine finstere Bedrohung für uns angekündigt hat. Sie wollten sich in ein paar Tagen noch einmal treffen. Aber daraus wird ja nun wohl nichts. Wie geht’s eigentlich Bubo?«
»Hm. Hat auch Stress zu Hause. Seine Mutter ist grauenvoll. Warum? Meinst du, er sollte von der Sache erfahren? Vielleicht solltest du anstelle Deiner Oma mit der Frau sprechen. Hast du mal was von Jori gehört?«
Warum musste er jetzt nach Jori fragen? Als würde die hochnäsige Habichtsprinzessin sich nicht sowieso eher bei ihm melden als bei mir. »Nein, nach der höflichen Postkarte, die sie Oma am Ende der Sommerferien aus Argentinien geschickt hat, kam von ihr kein Wort mehr. Wer weiß, vielleicht ist sie gleich dageblieben. Ihre Mutter war ja anscheinend total hingerissen
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