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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Aber immerhin sah er nicht mehr total wütend aus, eher traurig.
    »Falls sie mitkommt, fliegt sie. Vorhin saß sie noch in unserer Kastanie und hat mir nicht verraten, ob sie sich an unsere Verabredung erinnert.«
    Bubo ließ einen Stoßseufzer hören und setzte sich auf die andere Seite des Gangs. Seine Haare standen ihm an diesem Tag zu Berge wie weiche Flaumfedern. »So ein Mist! Die Arme! Das hätte ruhig einen Tag später passieren können.«
    »Wenn es ihr wichtig gewesen wäre, hätte sie es bestimmt beeinflussen können«, sagte ich schulterzuckend.
    Er warf mir einen finsteren Blick zu. »Du hast ja keine Ahnung. Dir fällt das zu leicht, um darüber urteilen zu können.«
    Strix, der noch stand und sich an einer Halteschlaufe festhielt, räusperte sich. »Haltet ihr das hier für den richtigen Ort, um euch darüber zu streiten?«
    Natürlich hatte er recht, und wir begannen, uns über andere Dinge zu unterhalten.
    Um auf das Gelände des Historicums zu gelangen, musste man durch einen langen Torbogen aus grobem Sandstein gehen, in dessen Mitte das Kassenhäuschen untergebracht war. Die Kartenverkäuferin hieß Frau Schubert und war eine alte Freundin von Oma. Sie begrüßte mich mit Namen, und ich musste ihr erst mal erzählen, wie es Oma ging und wann sie ihren Herzschrittmacher bekommen würde, ehe wir weitergehen konnten. Hinter uns hatte sich schon eine Warteschlange gebildet.
    Als Oma noch jeden Tag gearbeitet hatte, war ich oft im Museumsdorf gewesen, deshalb kannte ich mich gut aus. Es gab mehrere hundert oder sogar zweihundert Jahre alte große Bauernhöfe mit Werkstätten, Backhäusern, Scheunen und Ställen. Bewohnt waren die Häuser nicht mehr, aber in einigen von den Ställen wurden noch Haustierrassen gehalten, die vom Aussterben bedroht waren. Auf dem Weg zur Mühle kamen wir an wolligen Schweinen vorbei, die in ihrem Auslauf grunzten, an Ziegen, Hühnern und an einem bevölkerten Taubenhaus.    
    Besonders das Taubenhaus liebte ich. Es erinnerte mich an ein achteckiges Puppenhaus, wie es da so auf seinem Pfahl thronte.
    Es gab drei Mühlen im Historicum. Die Michelmühle war eine Windmühle außer Betrieb. Dann gab es noch eine andere Windmühle, in der manchmal Mehl gemahlen wurde, und eine Sägemühle, deren Mühlrad von dem Bach angetrieben wurde, der durchs Dorf floss.
    In Sichtweite der Michelmühle setzten wir uns auf eine Bank. Wir waren zu früh dran und hatten beschlossen, den Mühleneingang von außen zu beobachten und abzuwarten, wer hineingehen würde.
    Um zehn vor vier näherte sich eine kleine Frau in einem rostroten Mantel zielstrebig der Mühle. Sie hatte braune Wuschelhaare, die ihr bis zum Kinn reichten, und trug eine goldene Brille. Vor dem Eingang blieb sie stehen und sah sich kurz um. Ihr Blick fiel auf uns, glitt aber gleich weiter, und dann ging sie hinein. Wahrscheinlich hatte sie Ausschau nach Oma gehalten.
    Wir drei nickten uns zu, standen auf und folgten ihr.
    Im Inneren der Mühle gab es im Erdgeschoss einen großen Ausstellungsraum voller Bilder zur Mühlengeschichte. Der Treffpunkt sollte aber im Stockwerk darüber sein, wo manchmal Kurse für Spinnen, Töpfern oder Käsemachen stattfanden.
    Am Fuß der Treppe nach oben rempelten wir uns an, weil keiner vorangehen wollte. Ich war der Ansicht, dass Bubo die Spitze übernehmen sollte, aber er schob mich nach vorn – bis Strix schließlich genug hatte und die Treppe vor uns hinaufstob, indem er immer zwei Stufen auf einmal nahm.
    Energisch klopfte er an den Türrahmen, obwohl die Tür offenstand, und winkte mich heran, damit ich nun doch vortrat und das Reden erledigte. Sobald ich der Frau gegenüberstand, fiel mir das auch nicht mehr schwer, denn einschüchternd sah sie nicht aus.
    »Guten Tag. Ich bin Pia Baumgärtner, die Enkelin von Frau Korvinian. Kann es sein, dass Sie hier eine Verabredung mit ihr haben?«
    Sie starrte mich an, als wäre ich eine sprechende Truthenne. Durch die Brillengläser wirkten ihre Augen extragroß.
    Dann verschränkte sie ihre kleinen Hände wie zum Gebet. »Kommt deine Großmutter gleich nach?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Oma ist krank und hat uns hergeschickt, weil sie glaubt, dass Sie etwas Wichtiges zu erzählen haben.«
    Die Frau runzelte die Stirn und musterte uns. Schließlich nahm sie ihre Brille ab, rieb sich die Augen und setzte sie wieder auf. »Du bist also ihre Enkelin? Und wer sind deine Freunde? Ist auch für sie bestimmt, was ich zu sagen

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