Rabenherz & Elsternseele
gerade Jori dafür, dass sie mit Omas Rad hatte fahren müssen. Na toll. Als hätten wir eine Wahl gehabt.
»Du hättest ruhig langsamer fliegen können«, giftete Jori mich an. Jetzt hatte sie keine Musikstöpsel mehr in den Ohren. Ich zuckte mit den Schultern. »Ich wollte nicht zu spät kommen.«
»Wir hätten schon gewartet«, sagte Strix.
Wunderbar, wie er sich auf Joris Seite schlug. »Es wäre für Jori bestimmt angenehmer gewesen, wenn wir uns in Omas Haus getroffen hätten. Aber gewisse Leute können ja zurzeit weder Fliegen noch Radfahren.« Au, Mist. Das war mir herausgerutscht, bevor ich nachdenken konnte.
So finster hatte ich Strix’ Gesicht noch nie gesehen. Verlegen wich ich seinem Blick aus und sah, wie Jori abfällig die Lippen verzog.
»Zum Glück kann Frau Müllsammlerin es ja besser als wir. Nur schade, dass sie das winzige Elsternhirn immer behält«, sagte sie.
Bubo stöhnte. »Also, wenn ihr euch genug angezwitschert habt, könnten wir ja vielleicht über das sprechen, worüber wir eigentlich sprechen wollten.«
»Das musst du gerade sagen, du Nachtwächter. Wie war das vorhin mit der Krähe?«, entgegnete ich – die Zunge war schon wieder schneller als die Vernunft.
»Nachtwächter, ja? Du Minipinguin!«
Ich musste lachen. »Schraubkopf! Heulstaubwedel!«
Bubo lachte auch.
»Ihr gackert wie Hühner«, bemerkte Jori verächtlich.
»Sprach die quergestreifte Pute«, sagte ich, und Bubo prustete wieder los. Strix pfiff die ersten Töne von der »Vogelhochzeit«, während Jori mit den Augen rollte.
Bubo riss sich zusammen. »Okay. Nun aber mal im Ernst.«
Wir atmeten alle tief durch, und ich erzählte noch einmal von der mysteriösen Frau, die wir am folgenden Freitag treffen konnten.
»Und dann ist da noch diese alte Dame, die vor Omas Haus herumgelungert hat und Rudolf von Meutinger ähnlich sieht.«
»Ach, Quatsch. Da hast du dich bestimmt getäuscht«, meinte Bubo.
»Ja, vielleicht. Aber am Samstag ist mir noch etwas viel Gruseligeres passiert.« Ich erzählte von dem grauenhaften Garten und meiner Flucht.
Jori stieß genervt die Luft aus. »Dir ist es unheimlich wichtig, etwas Besonderes zu sein, oder? Diesen ganzen Blödsinn hast du dir doch bloß eingebildet. Böse Wolke über dem Vogelmördergarten – ich bitte dich!«
Bubo nickte bedächtig. »Ja, das hört sich übertrieben an. Ich denke, da hat jemand mit einem Luftgewehr herumgeballert, und du bist in Panik geraten. So was ist mir auch schon passiert, als ich mal tagsüber geflogen bin. Ich bin in einen fiesen Krähenschwarm geraten und hatte solchen Schiss, dass ich nicht mehr wusste, wo oben und unten ist. Krähen mögen Eulen nicht, falls ihr das noch nicht wusstet.«
Ich ärgerte mich zwar über die beiden, war aber trotzdem neugierig. »Wie bist du entkommen?«
»Dank Strix. Er war mir mit dem Fahrrad gefolgt, sodass ich auf dem Lenker landen konnte. An einen Menschen haben sich die Biester nicht herangetraut.«
Nach dieser Geschichte fand ich es noch gemeiner, dass er mich eine Krähe genannt hatte. Abgesehen davon, dass er mir nicht glaubte. Das hatte ich nicht von ihm erwartet. »Ich bin sicher, dass ich mir diese Gruselwolke nicht eingebildet habe. Aber wenn ihr es nicht glauben wollt – bitte sehr. Dann findet ihr wohl auch nicht, dass man gegen diesen schießwütigen Kerl etwas unternehmen müsste, oder?«
Strix räusperte sich. »Du könntest damit zur Polizei gehen. Aber ohne mich.«
Was mich schmerzhaft daran erinnerte, dass wir zwei noch etwas anderes miteinander zu klären hatten. Ich wusste nicht, was ich als Nächstes unternehmen sollte, um mein Fahrrad wiederzubekommen.
»Lasst uns erst mal besprechen, was wir nun wegen dieser Frau machen«, sagte Bubo.
»Ich bin sicher, dass Oma ihr nicht abgesagt hat. Sie hat nicht einmal eine Telefonnummer von ihr. Also schlage ich vor, wir gehen am Freitag in die Michelmühle und warten ab, ob sie auftaucht.«
Jori zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Obwohl die ganze Sache wahrscheinlich genauso ein Quark ist wie dein Gruselgarten.«
Strix drehte die ganze Zeit einen babyblauen Matchbox-Oldtimer in den Händen, den er von Bubos Nachttisch genommen hatte. Jetzt hielt er ihn mit einer Hand in die Luft. »Pias Oma ist eine echt kluge alte Dame. Wenn sie gesagt hat, dass man sich die Frau mal genauer ansehen sollte, dann ist da was dran.«
Es wäre zwar netter gewesen, wenn der olle Fahrradverschluderer auch mich verteidigt hätte und nicht
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