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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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da draußen. Der ganze Garten war voller Vögel, als hätte Oma ihre Bestimmungsbücher dort ausgeleert. Die Kollegen rasten herum, prallten zusammen, knallten gegen den Jungen, den Habicht und den Mann … Ein Rabe hackte nach zwei Krähen, die sich auf der Vogelscheuche niederlassen wollten, die wieder heil war. Rübenkopf und Mantel, alles wie durch Zauberei wieder dran.
    Ich plusterte mein Gefieder auf, machte es mir gemütlich und steckte meinen Kopf unter den Flügel. Mein Herz schlug langsamer und langsamer. Und trotzdem war es sehr laut zu hören. So laut hatte ich meinen eigenen Herzschlag noch nie gehört. Ganz beruhigend fühlte sich das an, es überdeckte auch das letzte Geräusch von draußen.
    Ein schönes Nest. Hier würde ich bleiben. Der Junge fummelte am Käfig, richtete aber nichts aus.
    Die vielen Vögel flogen nach und nach davon. Mehr Menschen standen nun herum, einige so nackt wie Singvogelküken.
    Pia , sagte eine Stimme in meinem Kopf. Pia, du kannst hier nicht bleiben. Du musst aufwachen.
    Das war Omas Stimme. Mein Kopf ruckte hoch. Warum Oma? Was wollte sie? Ich wollte hier nicht wieder weg.
    Einer der Menschen fingerte wieder an der Tür. »Na also. Offen! Nun komm da raus, Elsternmädchen«, sagte er.
    Auf keinen Fall würde ich das.
    Die Menschen hielten sich die Hände auf die Ohren. Also war es da draußen immer noch so laut.
    »Verdammt, Pia! Wach auf!«, rief der Junge, der die ganze Zeit dagewesen war. Er klang verzweifelt.
    Eine Elster setzte sich auf seine Schulter, er zuckte ein bisschen zusammen. Ein hübsches, glitzerndes Ding hatte der Kumpel im Schnabel. Das hätte ich gern mal aus der Nähe gesehen. War es ein Ring? Nun holte der Junge etwas aus seiner Jackentasche, wickelte es aus und legte es auf seine Handfläche. Blau und glänzend fing es das Licht ein. Oh, wie schön. Das wollte ich haben.
    »Für dich, Pica. Hol es dir«, sagte er. Was für ein netter Junge.
    Ich schwang mich aus dem Nest.
    Und fiel auf der Stelle zu Boden, als hätte mich der irre Piepko mit dem Gewehrkolben getroffen. Der Lärm war unglaublich. Mit gewaltigem Flügelrauschen kehrten die Vögel zurück. Mein armes Köpfchen platzte fast.
    Strix sprang vor und versuchte, mich zu packen, aber da war wieder dieses Staubsaugergefühl, das mich zu dem verfluchten Käfig hinzog.
    »Halt sie fest!«, schrie ein anderer Junge. Das war ja Corax. Wie kam der denn hierher? Kaum hatte er »fest« gesagt, war er auch schon ein Rabe.
    Der Sog ergriff ihn und zog ihn in den Käfig. Mit einem hellen Glockenklang schloss sich die Tür hinter ihm. Sofort verlor sich der Bann, unter dem die Vögel gestanden hatten. Richtungslos flatterten sie um uns herum oder zogen oben am Himmel weiter.
    Nach diesem Schock hatte ich schlagartig genug vom Vogelsein und verwandelte mich in meine Mädchengestalt. Dummerweise bemerkte ich erst danach, dass Piepko näher gekommen war. Er trug den Bettbezug, den er oben aufgerissen hatte, noch um die Taille und an jedem Fußgelenk einen Kabelbinder. Das sah ganz lustig aus. Weniger lustig war, dass er nun ein Gewehr in den Händen hielt, das viel gefährlicher aussah als das erste.
    Während ich nackt auf dem Boden kauerte und Piepko sein Gewehr schwenken sah, standen meine Freunde noch herum und starrten auf Corax im Käfig. Er schien geschrumpft zu sein, damit er hineinpasste.
    »Achtung, Piepko im Anmarsch! Alles klarmachen zum Angriff!«, warnte ich sie.
    Obwohl ich kurz vorher gerade erst zum Menschen geworden war, gelang es mir gleichzeitig mit Bubo, meine Vogelgestalt wieder anzunehmen. Allmählich wurden wir wirklich Profis. Jori versuchte es auch, hatte aber mehr Schwierigkeiten.
    Strix griff in die Tasche, die in seiner Nähe auf der Erde stand, und hielt mir einen kleinen Beutel hin, den ich mit meinen Klauen ergriff. Während er anschließend Bubo ausrüstete, machte ich mich schon ans Werk.
    Der Beutel war leicht und ich schnell. Piepko hob eine Hand, um mich abzuwehren, aber: Keine Chance! Ich leerte den Inhalt des Beutels genau über seinem Kopf aus. Ein Staubwölkchen hüllte sein Gesicht ein. Haaatschi! Auch mir stach der Pfeffer in der Schnabelnase. Jori hatte es inzwischen geschafft. Gemeinsam mit Bubo kam sie im Paarflug herangezischt und lieferte die allerschönste Flugshownummer, die ich je gesehen hatte. Jeder von ihnen hielt das Ende eines Seils, mit dem sie entgegengesetzte Kreise um Piepko flogen. Durch die Pfefferwolke blieb der so lange abgelenkt, bis er wieder

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