Rabenherz & Elsternseele
Vogelscheuche jetzt ein Stück näher am Haus.
»Tatanwi«, rief ich laut, so wie wir es abgemacht hatten, dann schnappte ich mir das Gewehr und rannte damit aus dem Zimmer. Piepko schrie: »He, stell das zurück!«, und kam mir nach.
Als ich durch die Wohnzimmertür hinaus war, sprang Bubo von der Sofalehne. Weit aufgerichtet, mit ausgebreiteten Flügeln und bedrohlich zischend versperrte er die Tür. Jori ließ ein triumphierendes »Kiiääh« hören.
Flink schloss ich das Gewehr in der Gästetoilette ein und warf den Schlüssel in einen verstaubten Schirmständer, während Piepko völlig von Bubo und Jori abgelenkt war.
Inzwischen war Strix näher gekommen. »Die Vögel werden Rache an Ihnen nehmen. Sie sind nicht so machtlos, wie Sie denken. Entschuldigen Sie sich lieber«, forderte er ihn auf.
»Die Elstern und Krähen werden in Schwärmen kommen und Sie angreifen«, sagte ich.
Jori reckte den Hals und starrte Piepko mit ihrem eiskalten Habichtsblick an. Ich ergänzte: »Und die Habichte werden sich den Elstern anschließen.«
»Uhu, hu, uhu«, sagte Bubo.
»Und die Eulenvölker bei Nacht«, übersetzte ich. »Sie werden keinen Schritt mehr ins Freie tun können, wenn Sie die Vögel nicht in Ruhe lassen.«
»Noch dazu wird die Polizei davon erfahren, dass Sie mit dem Gewehr im Garten herumballern und geschützte Tierarten jagen.«
»Ihr seid ja verrückt«, sagte Piepko, doch sein Blick wanderte ängstlich zwischen dem Habicht und dem Uhu hin und her, als würde er unsere Drohung durchaus ernst nehmen.
»Warum hassen Sie die Raben- und Raubvögel eigentlich so?«, fragte ich.
»Ich hasse alle Vögel.« Für einen Moment sah sein Gesicht aus wie die Fratze des Rübenkopfes auf der Vogelscheuche.
Er ließ die Luft zwischen seinen Zähnen hindurchzischen und sprach dann mit eintöniger Stimme, als hätte er die Sätze auswendig gelernt: »Vögel sind eingebildete, überhebliche Viecher. Halten sich für was Besseres, nur weil sie fliegen können.«
Hinter ihm hatte Strix inzwischen einen stabilen alten Bettbezug aus der Tasche geholt.
»Das klingt, als wären Sie neidisch«, sagte ich.
»Als wäre Fliegen so etwas Großartiges«, redete er in dem seltsamen Tonfall weiter.
»Warten Sie, ich habe hier etwas für Sie. Da steht drin, wie man Vögel fernhalten kann«, sagte ich, holte Mamas Gartenkatalog aus meiner Tasche, überreichte ihn Piepko, bevor er nachdenken konnte, und trat zwei Schritte zurück. Er hielt den Katalog mit beiden Händen und senkte den Kopf. Beste Voraussetzungen für die nächste Stufe unseres Plans.
Strix warf Piepko den Bettbezug über den Kopf und zog ihn stramm bis zu den Füßen herunter, während ich ein Springseil aus meiner Tasche zauberte. Wir hatten die Aktion am Vormittag bestimmt zwanzig Mal an Bubo geübt, deshalb waren wir wirklich flink damit, den Eingetüteten mit dem Seil zu umwickeln. Er begann, sich zu wehren und laut schimpfend gegen den Bettbezug zu boxen, hatte aber wegen unserer Verschnürung wenig Spielraum. So konnten wir schnell an jedem seiner Füße einen von den extragroßen Kabelbindern befestigen, die wir im Baumarkt besorgt hatten. Ich hatte gar nicht gewusst, wie praktisch diese Plastikriemen waren, bevor Strix es mir gezeigt hatte. Das eine Ende ins andere einfädeln, ziehen, ratsch, fest. Und ohne Schere oder Zange nicht wieder aufzubekommen. Ein drittes von den Dingern als Verbindung und fertig war die Fußfessel. Für eine Weile würde Piepko nur noch hopsen oder kriechen können.
Nun verknüpften wir die Schnüre, die wir an dem Bettbezug festgenäht hatten, zwischen seinen Beinen hindurch und rundherum so, dass er den Bezug nicht abstreifen konnte.
Er hörte auf zu schimpfen und geriet in Panik. »Hilfe!«, schrie er.
So schrecklich ich ihn auch fand, tat er mir irgendwie leid. Das Gefühl, so eingepackt zu sein und nichts sehen zu können, war sicher grauenhaft.
»Keine Angst«, sagte ich, »wenn Sie sich ruhig aufs Sofa setzen und warten, befreien wir Sie bald. Wir müssen nur mal eine Weile in Ihren Garten.«
»In meinen Garten? Was wollt ihr da?«, kreischte er.
»Wir wollen ihn vogelfreundlich umgestalten«, erklärte Strix.
»Wir machen schon nichts kaputt«, versuchte ich, Piepko zu beruhigen.
»Oder beinah nichts«, korrigierte Strix. Er fasste Piepko am Oberarm an und ließ ihn zum Sofa hüpfen. »Hier geht’s lang. Oh, hoppla, nicht in die Habichtskacke!«
Die Warnung kam zu spät, Piepko saß schon
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