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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Gerade da entdeckte sie eine Gestalt, die am fernen Ende des Flurs stand und herübersah.
    Es war ein blondes Mädchen mit einem herrischen Gesicht, vielleicht ein paar Jahre älter als sie. Sobald Mion ihren Blick erwiderte, fuhr sie herum und verschwand durch eine Tür.
    »Wer war das?«
    »Wer?«, fragte Jagu, ohne sich umzudrehen.
    »Da war ein Mädchen, das uns beobachtet hat.«
    »Hm. Faunia...«
     
    Jagu ließ sie ein Bad nehmen, bevor er ihr das Atelier und ihre Aufgaben als Lehrling zeigen wollte.
    Gleich neben der Küche lag das Waschzimmer mit einem hölzernen Badekasten und einer Pumpe, die warmes Wasser spie. Mion hatte noch nie so heiß gebadet und ihre Erfahrungen mit Duftöl hielten sich in Grenzen. Alles war sauber und kostbar. Was es doch für schöne, schöne Dinge gab! Mit einem Kichern platschte sie ins wohlriechende Wasser und tauchte unter.
    Gestern Nacht hatte sie noch fest mit ihrem Tod gerechnet und jetzt, keine zwölf Stunden später, schäumte sie im wahrsten Sinne des Wortes vor Freude. Ihr Leben, nein, die ganze Welt hatte sich verändert. Egal was für Gründe Jagu auch haben mochte, sie zu retten, jetzt war sie hier und fest entschlossen, zu bleiben.
    Als sie mit einem wohligen Seufzer wieder auftauchte, stand das blonde Mädchen über ihr.
    Mion stieß einen Schreckenslaut aus. Das Mädchen sah sie ungerührt an. Ihr Haar war zu einem Kranz aufgesteckt und Perlen baumelten an ihren Ohren. Das prächtige blauschwarze Kleid musste ihr die Luft abschnüren, denn sie war nicht nur erschreckend schmal um die Taille, sondern sah auch so schlecht gelaunt aus, als hätte sie seit geraumer Zeit nicht mehr geatmet.
    »Komm raus«, befahl sie mit heller, unangenehmer Stimme.
    Mion zog die Beine an. Offenbar hatte das Mädchen nicht vor, sich umzudrehen oder wegzusehen, während sie aus dem Wasser stieg. Nun, Mion hatte nicht vor, den Befehlen einer Fremden zu gehorchen.
    »Bist du Faunia?«
    Das Mädchen verzog den hübschen Mund, antwortete aber nicht. Ganz schamlos ließ sie den Blick über Mion wandern. Lange Wimpern warfen Schatten auf ihre gepuderten Wangen. »Wo hat er dich aufgegabelt?«
    »Was?«
    »Du hast mich schon verstanden. Ich frage mich, wo es in Wynter so dreckige Menschen gibt.«
    Mion war sprachlos. Normalerweise konnten Beleidigungen sie nicht so schnell aus der Fassung bringen, sie war derbe Sprüche gewohnt und hatte keine Scheu, sie zu erwidern. Aber auf so spinnwebenfeine Verachtung war sie nicht vorbereitet.
    Ein herablassendes Lächeln zuckte über Faunias Gesicht. Dann glitt sie aus dem Raum, ohne die Tür zu schließen.
    Als Mion angezogen war und mit ausgeschüttelten Haaren in die Küche schlich, saß Faunia auf dem Holztisch am Fenster und aß geschälte Äpfel. Unbekümmert ließ sie die Beine baumeln, die in schwarzen Strümpfen unter dem Kleid hervorlugten. Als sie Mion sah, stand sie auf und spazierte aus der Küche. Im Türrahmen warf sie einen giftigen Blick zurück.
    »Du sollst mitkommen!«
    »Jagu wollte mir das Atelier zeigen. Ich warte auf ihn.«
    Faunia zog eine helle Augenbraue hoch. »Glaubst du, dein Meister hat nichts Besseres zu tun, als zu warten, bis du dir den Dreck abgewaschen hast? Ich werde dir deine Aufgaben zuweisen.«
    Und ich wette, du freust dich unheimlich, dachte Mion zähneknirschend.
    Rasch holte sie Faunia ein, die bereits die Hälfte des Korridors zurückgelegt hatte. Sie musste das lange Überkleid anheben, um nicht darüber zu stolpern, und verfluchte das umständliche Ding. Faunias Kleid hörte weit über den Knöcheln auf.
    Ohne sich nach Mion umzusehen, stieg sie eine breite Wendeltreppe empor. Im Obergeschoss konnte Mion erstmals den Hof im Tageslicht erkennen. Es war ein Garten voller Buchen und Birken und etwas, was unter den Schneedecken wie ein Teich aussah. Jedenfalls führte eine kleine Brücke darüber.
    Nachdenklich betrachtete sie Faunia. Eine Haushälterin konnte sie nicht sein, dafür war sie zu jung und zu vornehm. Mion hegte schon den dunklen Verdacht, dass sie Jagus Tochter war... allerdings müsste er sehr jung Vater geworden sein, jünger als Faunia jetzt. Und wo steckte dann die Herrin des Hauses?
    Faunia blieb am Ende des Ganges vor einer Doppeltür stehen und drehte sich zu Mion um. »Dies ist sein Atelier. Es ist dir verboten, herzukommen, es sei denn, es ist der ausdrückliche Wunsch deines Meisters.« Damit öffnete sie schwungvoll die Türflügel.
    Helles Tageslicht strömte ihnen entgegen. Mion sah

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