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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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War das wirklich, wirklich wahr? Sie stieß einen Segen für die Drachen aus.
    Dann schwang sie die Füße aus dem Bett und ließ die Finger über die Matratze, den Samtbaldachin und das dunkle Holzgestell gleiten. Wer hätte gedacht, dass sie einmal von so wundervollen Dingen umgeben sein würde? Sie kniff mit den Zehen in den Teppich, den ein verschnörkeltes Efeumuster zierte. Als sie um das Bett herumgegangen war, bemerkte sie mehrere Kleider, die unachtsam auf den Boden geworfen worden waren. Gestern Nacht hatten sie noch nicht da gelegen.
    Mion nahm den Wollschal ab und hob die Kleider auf. Es waren Unterwäsche aus Leinen, Strümpfe und Samtpantoffeln, eine lange gelbe Tunika und eine Art dünner Mantel ohne Knöpfe und Ärmel, der mit goldenem Garn bestickt war und unter der Brust mit einem Samtband geschnürt wurde.
    Gerade hatte Mion das Überkleid hochgehoben, da klopfte es an ihre Tür. Sie fuhr herum, als Jagu den Raum betrat.
    »Wieso bist du nicht zum Frühstück gekommen?«, fragte er streng. Dann wanderte sein Blick zu den Kleidern hinab und seine Miene wurde mit einem Mal weicher. »Faunia hat dich nicht geweckt. Oder?«
    Bevor Mion antworten konnte, schloss Jagu die Tür und ging zu den Fenstern. »Zieh dich an.«
    Mion spähte über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass er ihr den Rücken zugekehrt hatte. Dabei kam sie sich ein wenig albern vor. Natürlich beobachtete er sie nicht. Rasch zog sie sich um und schlüpfte in das Überkleid. Hinten war es ausgestellt und länger, sodass es über den Boden schleifte. Bestimmt hatte es mehr gekostet, als ihr Vater zwischen zwei Sonnenwenden verdiente. Ihre Finger zitterten, als sie über den edlen Stoff strich.
    Jagu drehte sich um und betrachtete sie. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen, bei dem Mion zu glühen begann. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass er sie verspottete. Als wäre sie ein Tier, das man zur Belustigung in Menschenkleider gesteckt hatte. Sie biss die Zähne zusammen.
    »Sieh dich an«, murmelte Jagu.
    Sie wusste nicht, was er meinte. Erst als er ihre Hand nahm und sie vor den Spiegel führte, verstand sie.
    Es war das erste Mal, dass sie sich in einem richtigen Spiegel sah, und sie fühlte sich, als sei ihr jemand Fremdes vorgestellt worden. Nachdenklich erwiderte sie den Blick des Mädchens, das ihr da gegenüberstand. Wildes Haar fiel auf die Schultern. Das Gesicht war rund, mit einem spitzen Kinn und hohen Wangenknochen. Auf der linken Wange saß ein kleines Muttermal, das sie von ihrem Vater geerbt hatte. Erstaunlich, dass sie sonst gar nicht wie ihre Eltern oder ihr Bruder aussah. Ihre Augen waren von einem überraschenden, kräftigen Dunkelblau. Die Nase stand ein wenig zu weit hervor; gut, dass der Mund groß genug war, um davon abzulenken. Zahnabdrücke prangten auf der trockenen Unterlippe.
    »Was denkst du?«, fragte Jagu.
    Sie riss sich von ihrem Spiegelbild los und befühlte die Ärmel ihrer Tunika. »Die Kleider sind wunderschön. Das war unnötig.«
    Er lächelte. Plötzlich erinnerte er sie an den Winter, so als trüge er das Gesicht einer Jahreszeit. Im Vergleich zu ihr wirkte alles an ihm bleich und still und klar wie ein Frostmorgen. Seine Augen, grau wie alter Schnee und schattenumwölkt, ließen sie schaudern. Sie konnte immer noch nicht sagen, ob sein Ausdruck furchtbar traurig oder bloß verschmitzt war.
    »Ich fürchte leider, Faunia hat dir einige ihrer schlechteren Stücke gegeben. Das lange Überkleid ist aus der Mode. Aber das macht vorerst nichts; ich habe eigentlich nicht die Kleider gemeint, sondern dich.« Vorsichtig nahm er ihre Haare und hielt sie zurück, den Blick auf ihr Spiegelbild gerichtet. »Deine Augen sind sehr hübsch, so dunkelblau... Ich habe selten jemanden gesehen, der deine Haarfarbe hatte. Mehr Kupfer als Braun, oder nicht?« Sie fühlte seine Finger auf der Kopfhaut. »Aber deine Haare sind zu kurz. Du wirst sie dir ab jetzt wachsen lassen müssen. Und täglich kämmen. Was ist denn das, du hast ja hier ein paar Zöpfe!«
    Hitze wallte über ihr Gesicht. Sie trat einen hastigen Schritt von ihm zurück - seine Hände glitten widerstandslos aus ihren Haaren. Mit einem Knoten im Magen hob sie die Fäuste. Also das war der Grund, warum er sie …
    Mion atmete schwer. Alle Freude fiel in sich zusammen und wich herber Enttäuschung. Und Angst. »Nur weil Ihr mir das Leben gerettet habt, heißt das nicht, dass ich Euch jetzt gehöre. Ich bin vielleicht arm... aber kaufen

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