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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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einen angrenzenden Raum, der über drei Stufen zu erreichen war und von einer hohen Fensterfront erleuchtet wurde. Holzleisten, Leinstoffrollen und allerlei Werkzeug lagen über den Boden verstreut und in der Mitte stand ein Tisch mit einer Schale voller halb verfaulter Früchte. Der Schatten einer Staffelei streckte sich über einen prunkvollen grünen Samtsessel, auf dem sich Kleider häuften.
    Rechts des Raumes gab es mit Holzläden verschlossene Fenster. In den dunstigen Lichtstreifen, die hindurchfielen, erkannte Mion eine Regalreihe und zwei Werkbänke. Aus jeder freien Fläche sprossen Gläser, Ampullen, Flaschen, Messbecher und Schälchen, die über das restliche Chaos hinauswachsen zu wollen schienen wie in einem wilden Wald aus Glas und Ton. Nachlässig waren Kerzen an die Tischkanten geklebt worden und das Wachs hing in langen weißen Tränen herab. Wo sich regelrechte Pfützen auf dem Tisch gebildet hatten, steckten Messer, Spachtel und Pinsel, als hätte hier ein Kind gespielt.
    Auf der anderen Seite des Ateliers befand sich eine Gerümpelkammer. Jedenfalls sah es auf den ersten Blick so aus. Truhen, Stühle, Kronleuchter und Kommoden türmten sich übereinander. Dicke Samtvorhänge hingen an einem kunstvoll dekorierten Paravent und auf dem Boden lagen noch mehr Gewänder. Daneben stand eine kleine Kiste, mit glitzerndem und funkelndem Schmuck.
    »Nichts wird aus dem Atelier entwendet«, sagte Faunia schneidend, als sie Mions Interesse an dem Schmuckkästchen wahrnahm. Mion sah sie so kühl wie möglich an. In stillschweigender Feindseligkeit war sie allerdings nicht allzu geübt.
    »Du darfst nichts anfassen und bleibst nur im Atelier, bis deine Arbeit getan ist. Für gewöhnlich wird diese«, sie wies nicht ohne Zufriedenheit auf die Regale und Arbeitstische, »sich genau hier abspielen.«
    »Was soll ich tun?«
    Faunias Nasenflügel blähten sich leicht. Offenbar hatte sie nicht erwartet, dass Mion sich so fügsam zeigen würde. Dann schlenderte sie an den Tischen vorbei und inspizierte die dreckigen Gläser, als hätte sie Mion gar nicht gehört. »Der Besen ist dort, Wischlappen und der Eimer hier. Wasser musst du aus der Küche holen. Wenn dort keines mehr ist, gehst du in den Hof, beim Dienstboteneingang ist der Brunnen. Wenn du den Boden gefegt und geschrubbt hast, reinigst du hier die Tische und wäschst alle schmutzigen Gläser. Dann entstaubst du die Gläser in den Regalen. Aber sei vorsichtig! Die Essenzen sind sehr kostbar; kostbarer wahrscheinlich als alles, was du je in die Hände gekriegt hast. Wenn etwas zu Bruch geht, wirst du selbst dafür aufkommen müssen.«
    Mion ging gelassen an Faunia vorbei und ergriff den verstaubten Wassereimer. »Sonst noch was?«
    Faunia hatte sich so hoch gereckt, wie sie konnte, aber trotzdem überragte Mion sie um einige Zentimeter, und sie war über jeden einzelnen froh.
    »Du kannst anfangen«, sagte Faunia schlicht, und Mion verlor keine Sekunde mehr in ihrer Nähe. Als sie den Korridor zurücklief und die Treppe hinunterstieg, atmete sie tief durch. Was hatte das Mädchen bloß gegen sie? Oder war sie vielleicht immer so herablassend?
    Jetzt durfte sie sich bloß nicht verlaufen! Kurz überlegte sie, ob die Küche links oder rechts von der Treppe lag. Schließlich lief sie nach rechts und erkannte zum Glück das Porträt einer alten, griesgrämigen Dame wieder.
    Die Küche kam schon in Sicht. Mion sprang die Stufen hinab - und stieß gegen jemanden.
    »Ah!« Sie stolperte über die letzte Stufe und ließ beinahe den Eimer fallen.
    »Was ist denn hier los?«, rief eine kräftige Frau und spreizte entsetzt die Finger über der fülligen Brust.
    »Entschuldigung«, stammelte Mion. »Ich habe Euch nicht gesehen.«
    »Euch?« Die Frau musterte sie von oben bis unten, wie sie so dastand, in einer Hand den Eimer, in der anderen den Saum ihres Kleides. Langsam stützte die Frau die Arme in die Seiten. »Wer bist du denn?«
    »Mion. Jagus neuer Lehrling.«
    Die Augenbrauen der Frau rutschten ihrem Haaransatz deutlich näher. »Na so was. Schon wieder. Dann hast du hier gebadet?«
    Mion nickte.
    Die Frau stieß ein leises Schnauben aus. »Und ich dache, das wäre Faunia gewesen. Badet jeden Tag und manchmal zweimal. Wie dreckig kann einer denn in ein paar Stunden beim Nichtstun werden?«
    Mion lächelte. »Seid Ihr vom Gesinde?«
    »Hmmmhm.« Die Frau musterte sie abermals sorgfältig. »Ich weiß nicht, wo du herkommst. Aber eine Köchin spricht niemand mit

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