Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
Vom Netzwerk:
verabschieden.«
    »Verab-« Baltibb versagte die Stimme. Sie starrte ihn an, schüttelte den Kopf. »Das meint Ihr nicht... das könnt Ihr nicht... Aber bei allen Drachen, wohin denn?«
    »Irgendwohin. Nur weg von hier.«
    Baltibb presste die Lippen aufeinander, dann sah sie sich nach allen Seiten um und zog ihn kurz entschlossen hinter die Ställe der Pferde. Es drang kaum Licht in die Dunkelheit und sie hörten das Schnauben der Tiere ganz nah.
    »Wisst Ihr, was Euch außerhalb des Palasts erwartet?«
    »Ja, ich war schon einmal draußen. Ich wurde erschossen.«
    »Ihr findet das lustig. Bei allen Drachen, Ihr findet das wirklich lustig.«
    Er schob ihre Hand von seiner Schulter und drückte sie fest. »Was soll ich hier drinnen mit neun vergeudeten Leben, Baltibb... wenn ich draußen ein einziges haben kann, das sich lohnt? Ich fürchte mich nicht davor, meine Korpusse zu verlieren. Im Gegenteil, ich will sie loswerden und wie ein Mensch leben!«
    Baltibb zog bei so viel Blasphemie scharf die Luft ein.
    »Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst. Wenn kein Drache mich versteht, wie sollst du es dann?«
    »Lyrian«, hauchte sie, als er wieder ins Licht zurückkehrte. Langsam kam sie auf ihn zu. Ihr Gesicht war entsetzlich blass. »Ich’me mit.«
    »Was?«
    Sie räusperte sich mühsam. »Ich komme mit.«
    Nun war es an Lyrian, sie ungläubig anzustarren. »Nein, das geht nicht. Ich kann nichts mitnehmen, das wäre … nein.«
    »Warum?«
    Er hatte sie noch nie so elend gesehen. Das machte ihm den Abschied nicht gerade leichter. »Versuch doch zu verstehen! Ich gehe weg, weil ich nichts mehr von hier haben will. Ich brauche keinen Palast und ich brauche keine Diener!«
    »Dann nehmt mich nicht als Dienerin mit«, sagte sie sehr leise. »Sondern als Freund.«
     
    Glühend wie am ersten Tag der Welt erhob sich die Sonne aus ihrem Gebirgsbett. Neubeginn und Ewigkeit teilten sich diesen Augenblick, als der winterliche Himmel in Feuer aufflackerte und schmolz, der Tag die Nacht mit brennenden Küssen verabschiedete. Und Lyrian nahm Abschied von seiner Heimat.
    Aufrecht und schwermütig, mit Triumph und Furcht verließ er seine Gemächer, durchschritt Hallen und Flure zum letzten Mal. Das kühle Licht, das durch die Dachfenster schimmerte, der Geruch der steinernen Mauern - alles rief nach Heimat und seufzte Lebewohl.
    Im Schatten der Pforte vor der Großen Brücke stand Baltibb. Als Lyrian auf sie zukam, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Bestimmt hatte sie letzte Nacht kein Auge zugetan. Lyrian fühlte sich ihr so verbunden, als seien sie die letzten Überlebenden auf Erden.
    »Hallo«, sagte sie unsicher. Neben ihr lag ein prall gefüllter Reisebeutel. Erst auf den zweiten Blick bemerkte Lyrian, dass außerdem ein kleiner schwarzer Hund dasaß.
    »Er hat sich schon an mich gewöhnt...«
    Lyrian kniete sich vor den Welpen. Er war schon größer geworden, seit ihn seine Mutter verstoßen hatte, und beobachtete Lyrian aus großen, traurigen Augen.
    »Er soll mitkommen«, beschloss er. »Bei seiner Familie war er nicht willkommen. Wir lassen ihn nicht allein.«
    »Ja, das habe ich auch gedacht!« Baltibb nahm ihn gleich auf den Arm und warf sich mit der anderen Hand den Beutel über die Schulter. »Wollt Ihr ihm einen Namen geben?«
    Lyrian schüttelte den Kopf. »Ich finde, das solltest du tun.«
    »Ich... ich habe eigentlich schon angefangen, ihn Mond zu nennen. Ich weiß nicht, wieso. Weil der Mond so hell geleuchtet hat, als Ihr gekommen seid und wir ihn gefunden haben. Es ist ein dummer Name, ich weiß. Deshalb dachte ich, Ihr wollt vielleicht...«
    »Mond also.« Lyrian streckte die Hand aus und streichelte vorsichtig den kleinen, weichen Hundekopf. Ohne Baltibb anzusehen, murmelte er: »Danke.« Sie wusste, was er meinte, und schwieg.
    Er rief die Korpusse der drei Schwalben auf. Baltibb kletterte mit Mond auf seinen Rücken und hielt sich scheu an seinem Gefieder fest. Mit schweren Flügelschlägen erhoben sie sich in die Luft, und dann segelten sie über die Große Brücke, über die Gärten und die Palastmauer, bis Wynter hinter Morgendunst und Wolken verschwand.
     
    Lyrian musste landen, als sie die Wälder erreichten. Obwohl die vereinten Schwalbenkorpusse viel Kraft besaßen und Baltibb nicht schwer war, erschöpfte ihn das Fliegen bald. Etwas unbeholfen landete er auf einem lichten Hügel, der sich aus den Wäldern ringsum erhob. Lyrian wartete, bis Baltibb mit Mond abgestiegen war, dann verwandelte

Weitere Kostenlose Bücher