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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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mir sagen, zu welchem der drei du möchtest?“
    „ Es muss bei den Rosenrinker Klinken sein. Es gibt dort nur Steine und Büsche und Gras. Meistens regnet es da.“
    „ Dann weiß ich, wo es ist.“
    Elsa merkte, wie ihre Kräfte nachließen. Ihre Beine fühlten sich an, als wäre sie drei Tage von morgens bis abends gewandert. Dabei machte sie nur einen harmlosen Ausflug auf keinen allzu hohen Berg.
    „ Es ist nicht mehr weit“, sagte er, als habe er ihre Gedanken erraten. Es konnte aber auch sein, dass er auf ihre Langsamkeit anspielte.
    „ Was machen wir, wenn wir ankommen?“, fragte sie. „Sofort verschwinden?“
    „ Nein, noch sind zu viele Leute da. Wir werden warten, bis sie weg sind.“
    „ Im Dunkeln?“
    „ Ja, aber mach dir deswegen keine Sorgen.“
    „ Mache ich auch nicht.“
    Sie hatte keine Angst vor der Nacht, weil sie im Freien war. Nichts an dem Wald und den kleinen blassen Sternen, die sich allmählich am Himmel abzeichneten, hatte etwas mit ihrem dumpfen Kellergefängnis gemein. Was sie aber doch ein bisschen nervös machte, war die Nähe des Tors. Gar nicht mal wegen der Möwen, die womöglich hören konnten, was darin vor sich ging. Es war etwas anderes. Das Tor kam ihr vor wie ein Weg, der plötzlich abbrach. Eine Klippe, hinter der eine Tiefe lauerte, die sie nicht ermessen konnte. Wenn sie in dieses Tor hineinging, würde etwas aufhören und das machte ihr Kummer.
    „ In Istland kannst du dich erholen“, sagte Anbar. „Ich gebe zu, das war heute viel auf einmal.“
    „ Bin ich so langsam geworden?“
    „ Du bleibst fast stehen. Willst du noch eine Pause machen?“
    Sie wurden ständig von anderen Ausflüglern überholt. Jetzt kam wieder eine Gruppe, die laut plaudernd an ihnen vorüberzog, ohne sie zu beachten.
    „ Es geht schon“, sagte sie und strengte sich noch einmal an. Es war, als laufe sie gegen eine unsichtbare Mauer an. Schritt für Schritt drückte sie sich dagegen.
    „ Vielleicht fürchte ich mich vor Istland“, sagte sie. „Ich war so lange weg.“
    „ Fünf Jahre sind viel in deinem Alter, aber du gewöhnst dich bestimmt wieder ein.“
    „ Wo gehst du hin, wenn du mich nach Hause gebracht hast?“
    „ An alle möglichen Orte, um meine Spuren zu verwischen, und dann nach Antolia.“
    „ Und dann?“
    „ Werde ich überrascht tun, wenn Egas Möwen zugeben, dass du weg bist.“
    „ Sistra wird auch überrascht tun.“
    „ Nicht nur das. Sie wird erschüttert sein und meckern und spotten und Egas Niederlage dazu verwenden, ihr eigenes Ansehen bei den Möwen aufzupolieren.“
    „ Wie hinterhältig.“
    „ Findest du?“
    „ Machst du auch solche Sachen? Anderen hintenrum eine reinwürgen und dann so tun, als wären sie Versager?“
    Sie hörte ihn lachen.
    „ Das kommt darauf an, wen du fragst.“
    „ Ich frage dich!“
    „ Nein, nicht mit Absicht.“
    „ Aber unabsichtlich?“
    „ Ja, wahrscheinlich schon.“
    Elsa rang Schritt für Schritt mit der Schwere in ihren Beinen und versuchte sich zur Ablenkung vorzustellen, wie Anbar in einer Welt von Gutmütigen lebte und dort unabsichtlich hinterhältig war, aber so recht wollte das nicht klappen. Zu wenig wusste sie von ihm und von Antolia.
    „ Bist du verheiratet?“
    „ Nein.“
    „ Dann hast du vielleicht eine Freundin oder so etwas?“
    „ Du meinst, ich belaste mich mit einer Person, zu der ich ständig freundlich sein muss?“
    „ Zu mir bist du auch schon den ganzen Tag freundlich.“
    „ Es wäre wohl unangemessen, an einem Mädchen, das ein Jahr lang eingekerkert war, meine schlechte Laune auszulassen.“
    „ Hast du denn schlechte Laune?“
    „ Ich habe sehr oft schlechte Laune. Außerdem bin ich berechnend: Ich behandle dich einen Tag lang freundlich und dafür verabschiedest du dich für immer aus meinem Leben. So etwas nennt man eine Investition.“
    „ Es sieht aber gar nicht so aus, als müsstest du die Zähne zusammenbeißen.“
    „ Nein“, sagte er, „wenn es wirklich eine ganz schlimme Last wäre, würde ich solche Dinge nicht sagen.“
    Sie glaubte zu verstehen, wie er das meinte, aber vielleicht verstand sie es auch nur so, wie er es verstanden haben wollte. Es war letztlich gleichgültig. Ihre Freundschaft oder Feindschaft oder was auch immer es war würde hier auf diesem Berg enden. Das musste sie tun, sonst wären die Folgen dramatisch.
    „ Ich muss vergessen, dass es dich gibt, ist das richtig?“, fragte sie.
    „ Ganz richtig.“
    „ Schade eigentlich.“
    „

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