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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Der Verstoßene, der Schwache, der zum Tode Verurteilte, auf den alle spuckten. Er wusste damals, dass er die Kraft besaß, sie alle zu besiegen. So unwahrscheinlich das auch war, er wusste es einfach, dass er es konnte. Nun hatte er es fast geschafft. Er war über alle Widerstände hinausgewachsen und kurz davor, das Universum zu verschlingen.

KAPITEL 23
     
    Morawena kam an den verabredeten Ort. Warum sie so dumm und leichtsinnig handelte, würde Gaiuper für immer ein Rätsel bleiben, doch er hatte damit gerechnet. Er kannte Morawenas Schwachstelle, fast von Anfang an, hatte es aber immer vermieden, sie wissen zu lassen, dass er sie kannte. Glücklicherweise war Morawena überheblich. Sie nahm vermutlich an, dass Gaiuper ihr nichts antun konnte, dass sie stärker war als er, selbst wenn sie sich aus der Ganduup-Festung schlich und ohne den Schutz der ihr treu ergebenen Gespenster zurechtkommen musste. Zumal sie den Tod nicht fürchtete. Mehr als einmal hatte sie durchblicken lassen, dass es ihr nichts ausmachen würde zu sterben. Falls es jemandem tatsächlich gelänge, sie umzubringen. Nun war sie also hier, stand in der Ruine einer alten Fischfabrik, die seit Jahren nicht mehr benutzt wurde und kein Dach mehr hatte, sodass die Sonnenstrahlen ungehindert ins Innere drangen und Morawena erleuchteten. Denn eine leuchtende Gestalt war sie, das musste ihr Gaiuper lassen. Stolz und aufmerksam stand sie in der Mitte der ehemaligen Produktionshalle, in sicherem Abstand von Unass und Gaiuper.
    „ Was willst du von Nada?“, fragte sie.
    „ Nur ein paar Antworten“, erklärte Gaiuper, „die er mir sicher nicht freiwillig geben wird.“
    „ Auch nicht unfreiwillig“, sagte Morawena.
    Ihre roten Locken flossen über ihre Schultern, ihre dunklen Augen glitzerten wie flüssiges, dunkelgrünes Glas in ihrem blassen, makellosen Gesicht. Warum nur sah sie so aus? Warum nur konnte sich Gaiuper ihrer Ausstrahlung kaum entziehen? Vermutlich, weil sie die letzte ihrer Art war. Kein schwacher, kein weltlicher Rabe wie das Mädchen, das Gaiuper erbeutet hatte. Sondern ein echter, alter Rabe, der aus Kundrien selbst stammte und über Jahrtausende hinweg sich selbst treu geblieben war, trotz des Vergessens, zu dem ihn jeder neue Tod verdammte. Mal Mann, mal Frau, stark und ungebunden, für alle Zeiten. Zumindest bis heute.
    „ Trotzdem interessierst du dich für meine Pläne?“, fragte Gaiuper.
    „ Ich würde Nada gerne eine Begegnung mit dir ersparen“, sagte sie. „Er besitzt Geschmack und ein feines Empfinden, daher wird er von Übelkeit geplagt sein, sobald er dich ansehen muss. Das hat er nicht verdient.“
    Sie wandte sich blitzschnell um, denn sie hörte Unass, der am zweiten Eingang der Halle stand und sich gebückt hatte, um die Tiere freizulassen. Sie ahnte nicht, dass Unass die Weichen Skorpione auf ihren Geruch abgerichtet hatte. Vermutlich kannte sie diese Tiere nicht einmal. Sicher wusste sie nicht, dass die Weichen Skorpione glibberige, durchsichtige Körper hatten, dass sie Spinnen ähnlicher waren als den bekannten Skorpionen, und dass sie sehr, sehr klein waren. Es wäre ihr vermutlich nicht im Traum eingefallen, dass diese winzigen Tiere auf sie flogen und nichts sehnlicher verlangten, als ihren haarfeinen Stachel in Morawenas Haut zu stoßen, um sie zu lähmen. Sie würde nicht sterben, sondern bewegungslos den kleinen Tieren ausgeliefert sein, die auf ihr herumkrabbelten und sie kitzelten und sich von dem Salz und den Flüssigkeiten ernährten, die mit dem Schweiß aus ihren Poren treten würden. Sie wäre wehrlos und sie würde leiden, da das Gift auch die Atmung und den Herzschlag verlangsamte bis zur Grenze des Unerträglichen. All das wusste sie nicht und sie hatte auch keine Zeit, gesundes Misstrauen zu entwickeln, da Tegga für Ablenkung sorgte. Er feuerte einen vielzackigen Speer auf sie ab, dem sie mit Leichtigkeit auswich, doch dann war es zu spät. Sie verspürte eine seltsame Taubheit, die sich von den Beinen her nach oben ausbreitete, so zumindest deutete Gaiuper ihr Verhalten, als sie schwankte, sich nervös um die eigene Achse drehte und schließlich stürzte, unfähig, sich auf den Beinen zu halten oder gar zu verwandeln. Ihr Körper und ihre Arme zuckten, bevor sie taub wurden, ebenso wie ihr Mund, und dann lag sie da. Ihre feuchten, dunklen Augen waren das einzige, was an ihr noch lebendig aussah.
    „ Nada wird sich freuen, dich wiederzusehen“, sagte Gaiuper. „Leider muss er im

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