Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
Gegenzug meine ekelhafte Gegenwart in Kauf nehmen. Nichts ist umsonst.“
Er hielt Abstand, um nicht zufällig einem verirrten Skorpion in die Quere zu kommen.
„ Packt sie ein und nehmt sie mit“, befahl er Tegga und den zwei anderen Schlägern. „Wir haben es eilig.“
Sie wickelten Morawena in einen dünnen Teppich und trugen sie zu zweit zum Tor, das sich in nächster Nähe befand. Wie versprochen stand Kamark schon bereit. Wenn er überrascht war, dass Gaiuper mit Unass, Tegga, zwei weiteren Schlägern und Morawena in einer Rolle auftauchte, so ließ er sich das nicht anmerken. Er war so blass und nervös wie immer.
„ Wohin?“, fragte er.
„ Zur Burg Trotz in Sommerhalt. Es gibt ein Tor in unmittelbarer Nähe. Sieh dich vor, es könnte bewacht sein.“
Kamark nickte eifrig. Dabei warf er einen neugierigen Blick in die Runde. Der Ort, an dem sie gerade standen, war von Rabendienern umgeben, von Gaiupers Dienern, denen die Fragen ins Gesicht geschrieben standen. Sah das hier alles nicht gerade so aus, als ob sich der Anführer aus dem Staub machte und sie nicht mitnehmen wollte?
„ Wir werden gegen Abend zurück sein!“, verkündete Gaiuper laut. „Wartet hier auf uns und lasst niemanden – ich wiederhole – niemanden durch dieses Tor. Wir sind unserem Ziel sehr nahe!“
Ob sie ihm glaubten oder nicht, war Gaiuper in diesem Moment einerlei. Die Hauptsache war, dass sie ihn nicht behinderten, wenn er die Welt der Ganduup für immer verließ. Kamark arbeitete zuverlässig, so wie immer. Sie erreichten das Grenzland von Feuersand am frühen Nachmittag. Es gab dort niemanden, der das Tor bewachte. Die Luft an diesem Ort war schlecht und vermutlich wollte sich niemand durch den Wachdienst die Gesundheit ruinieren. Wer hätte auch hier eindringen sollen? Nada erwartete sicher keinen Besuch.
Ein einstündiger Fußmarsch trennte Gaiuper von Burg Trotz. Schnellen Schrittes ging er voraus, Tegga folgte, hinter ihnen gingen die anderen beiden Schläger und trugen die wehrlose Morawena. Kamark ließ sich zurückfallen, er war sowieso nicht der Schnellste und ahnte offensichtlich Unheil. Dass es Unass für seine Pflicht hielt, ebenfalls langsam zu gehen, um Kamark im Auge zu behalten, kam Gaiuper sehr entgegen.
„ Tegga!“, rief er und winkte den Anführer der Schläger herbei.
Tegga wurde hellhörig. Bald wanderte er mit Gaiuper auf gleicher Höhe.
„ Es gibt da etwas, das ich dir noch sagen wollte“, begann Gaiuper. Sie gingen schnell, doch der kräftige Tegga kam nicht außer Atem. Bald waren auch die anderen beiden Schläger außer Hörweite.
„ Ja, worum geht es, Gaiuper?“
„ Um Hoppier, wie du dir denken kannst.“
Teggas Gesichtsausdruck veränderte sich. Er war ein durch und durch brutaler, gefühlloser Typ. Aber bei seiner eigenen Brut, da wurde er weich. Gaiuper kannte mindestens drei Kinder, die Tegga ihren Vater nennen durften und unter seinem persönlichen Schutz standen. Doch Hoppier war stets sein Lieblingskind gewesen, vielleicht hatte ihm ja die Mutter etwas bedeutet. Seit Hoppiers Verschwinden hatte Tegga nicht aufgehört, Gaiuper Fragen zu stellen, und immer hatte Gaiuper beteuert, über Hoppiers Verbleib nicht Bescheid zu wissen.
„ Was ist mit ihm?“, fragte Tegga.
„ Ich kann dir nichts Gutes berichten. Ich kann dir nur die Gelegenheit zur Rache bieten. Ich brauche Unass nicht mehr und ich kann ihn auch nicht länger ertragen. Wenn du ihn also erledigen möchtest, ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Sonst müssen wir ihn wohl oder übel mitnehmen …“
„ Unass? Was hat er getan?“
Teggas Stimme quietschte fast. Dass sich ein erwachsener Mann wegen eines Kindes so anstellen konnte!
„ Du weißt, was er in seiner Hexenküche treibt. Er schreckt vor keinem Experiment zurück, auch wenn es Zutaten erfordert, die nicht leicht zu haben sind. Hoppier war ein kräftiger Junge, ein willensstarker Junge. Unass glaubte, dass ihm Hoppiers Bestandteile besonders hilfreich wären …“
„ Das ist nicht wahr!“, rief Tegga heiser. „Er hat ihn nicht abgeschlachtet!“
„ Frag ihn! Ich weiß es, weil er vor einem halben Jahr unbedingt mit der Wahrheit herausplatzen musste. Er hatte zu viel getrunken und protzte damit herum, dich hintergangen zu haben und nicht erwischt worden zu sein.“
Tegga blieb abrupt stehen. Gaiuper ging weiter, ein paar Schritte, dann hielt er inne und drehte sich nach Tegga um.
„ Ach ja, Tegga! Wenn du schon dabei bist: Wir werden auch
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