Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
war die Burg Trotz immer wieder in Stand gesetzt worden, sodass die Könige auch heute noch dorthin zurückkehrten, um Tage in Ruhe zu verbringen oder die Entwicklung Feuersands zu studieren.
Warum das Herz des Landes vor vielen tausend Jahren wüst und giftig geworden war, darüber stritten sich die Forscher. Ein unterirdischer Vulkan, sagten die einen, die anderen glaubten an ein Erdbeben oder auch an die Brocken eines abgestürzten Sterns. Das Rätsel blieb offen, zumal sich niemand ins Zentrum der Verwüstung wagen konnte, ohne darin umzukommen. Natürlich gab es auch Legenden und Lieder über das alte Sommerhalt, das von bösen Geistern unterwandert und schließlich zerrissen worden war. Im Kampf gegen die Geister hatten die alten Könige gesiegt, doch Feuersand war der Preis für Sommerhalts Freiheit gewesen. Elsa wollte noch mehr über diese alten Geschichten lesen, doch fand sie in den nächsten Tagen kaum Zeit dazu.
Sistra bereitete ein Fest vor und bat Amandis oft um Hilfe. Während Elsa tat, was Sistra ihr aufgetragen hatte, wurde sie Zeugin von unerklärlichen Dingen, die Sistra mit ihren Fingern und Armen anstellte. So griff sie in die Luft und hatte plötzlich etwas in der Hand, was vorher nicht da gewesen war, oder sie holte etwas aus einem anderen Zimmer, ohne dorthin zu gehen. Es geschah immer so schnell und so flüchtig, dass Elsa daran zweifelte, ob es überhaupt geschehen war. Aber da sich diese Wahrnehmungen häuften, kam Elsa zu dem Schluss, dass Sistra Zaubertricks beherrschte. Nur wie sie es machte, das konnte Elsa nicht enträtseln. Sie hatte auch andere Sorgen. Denn zu dem großen Fest, das in der längsten Nacht des Winters stattfinden sollte, waren viele Bekannte und Verwandte von weither eingeladen. Es war nur zu wahrscheinlich, dass Elsa sich verraten würde, wenn sie deren Namen oder deren Geschichten nicht kannte. Elsa überlegte, ob sie eine schwere Krankheit vortäuschen oder einfach wegrennen sollte, bevor das Fest stattfand. Die Zeit bis zum Fest wurde immer knapper, doch Elsa kam zu keiner Entscheidung.
An dem Tag, als Elsa mit Leimsel ans Meer fahren wollte, lief sie in den Garten und hörte Stimmen am Tor. Die eine gehörte Golo, Sistras Mann, die andere hielt sie für Leimsels. Sie umrundete einen kugelrunden Busch und wollte schon „Hallo!“ rufen, als sie ihren Irrtum erkannte. Schnell duckte sie sich, um nicht gesehen zu werden. Denn bei Golo stand ein Mann mit einem blonden Haarschopf und sie hätte sich schon sehr täuschen müssen, wenn es nicht eben der Blondschopf war, dem sie damals vom Schloss aus Tage lang gefolgt war, unfreiwillig und mit ungewissem Ziel. Sie spürte sehr deutlich, wie der Boden unter ihren Füßen weich wurde und das Frühstück, das sie eben noch mit Wonne verspeist hatte, in ihrem Magen hin- und herschaukelte. Sie kroch näher heran, um zu hören, was Anbar hier wollte.
„ Komm doch rein“, sagte Golo und Elsa fröstelte bei dem Gedanken. „Amandis ist aus Bellon zurück, ihr habt euch lange nicht gesehen!“
„ Ein anderes Mal gerne“, erwiderte Anbar. „Du weißt ja, was ich gerade für Probleme habe. Ich müsste an drei Orten gleichzeitig sein, um alles richtig zu machen.“
„ Ich kann’s mir vorstellen. Neues hast du auch nicht gehört?“
„ Nein, aber vielleicht ist das auch gut so“, sagte Anbar. „Ich will für den Rest meines Lebens keine Neuigkeiten mehr hören.“
Golo lachte, aber es klang nicht fröhlich.
„ Die Geschichte lehrt uns, dass solche Wünsche unerfüllt bleiben. Kommst du eigentlich zum Fest?“
„ Ich komme lieber, wenn euer Fest vorbei ist.“
„ Du alter Grimmbart“, sagte Golo. „Dabei könnte es interessant für dich werden.“
„ Warum?“
„ Es kommt so ziemlich jeder, der in diesen Welten etwas zu sagen hat. Von der antolianischen Regierung mal abgesehen. Du kannst dir denken, worüber sie alle sprechen werden.“
„ Vielleicht schicke ich einen Freund vorbei“, sagte Anbar. „Ich muss gehen. Bis bald, Golo!“
„ Bis bald. Lass dich nicht unterkriegen!“
Golo kehrte zum Haus zurück und Elsa blieb noch eine Weile hinter ihrem Busch sitzen. Sie hatte keine Ahnung, weswegen sich Golo und Anbar solche Sorgen machten. Aber sie war erleichtert, dass Anbar zu beschäftigt war, um so schnell noch einmal vorbeizukommen. Wahrscheinlich würde er sie nicht erkennen, wenn er sie wiedersähe. Aber darauf ankommen lassen wollte sie es nicht.
Als Elsa zusammen mit Leimsel zum Kap
Weitere Kostenlose Bücher