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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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wir hergeben. Ein paar Hausangestellte und einen verletzten Möwenkrieger. Alle für diesen Schwächling.“
    Elsa sah noch einmal zum Weltenführer hin. Es war nicht kalt, aber er hatte die Arme um den Körper geschlungen und zitterte. Er gehörte nicht zu den Menschen, die auf Anhieb ihr Herz erwärmten, doch gerade tat er ihr leid.
    „ Was ist mit dem Vogel?“, fiel ihr plötzlich ein. „Haben wir den noch?“
    „ Gaiuper hat ihn genommen.“
    „ Wo ist er jetzt?“
    Sinhine zuckte mit den Schultern. Jetzt, da sie ihren Ärger losgeworden war, sah sie erschöpft aus. Elsa stellte ihr keine weiteren Fragen, sondern schaute sich um. Viele der Soldaten schliefen. Es waren Männer und Frauen, junge und alte. Wie Sinhine glaubten sie an ein großes Ziel, für das sie kämpften. Warum nur, dachte Elsa, hatte sie nicht das gleiche Gefühl? Das hätte es wesentlich einfacher gemacht.
    Aus welcher Ecke die Rufe zuerst kamen, wusste Elsa später nicht mehr zu sagen. „Feuer!“, schrie jemand und dann riefen mehrere Stimmen durcheinander. Elsa roch das Feuer, bevor sie es sehen konnte. Unsichtbarer Rauch stieg ihr in die Nase, drohend und beißend, während sie sich umsah und herauszufinden versuchte, wohin sie flüchten sollte. Sinhine packte Elsas Hand und zog sie in eine Richtung, in die viele andere liefen, doch hinter ihnen schrie jemand:
    „ Nicht dahin, dort haben sie das Feuer gelegt!“
    Und wie zur Bestätigung ging eine Wand aus Stoffballen in Flammen auf, sie explodierte fast und trieb die Flüchtenden ins Innere der Halle zurück, wo sie sich panisch umblickten. Wohin sie auch sahen, überall war Feuer. Es kam von allen Seiten und sie waren darin eingesperrt. Was Luft war, wurde Rauch, der ihnen die Tränen in die Augen trieb. Wie alle anderen hielt sich Elsa die Arme vors Gesicht, um atmen zu können. Sie hörte die Eingesperrten husten und als sie kurz an ihrem Ellenbogen vorbeiblinzelte, sah sie verschwommen, wie die Ersten zu Boden gingen, noch bevor die Flammen sie erreichten. Aus Angst vor der giftigen Luft klammerten sich Elsa und Sinhine aneinander, pressten ihre Nasen gegen die Schulter der anderen, um nicht zu ersticken. Noch jemand klammerte sich an Elsas Arm. Sie wusste nicht, wer es war, und es war ihr auch gleichgültig in dieser heißen Hölle. Nur noch ein paar Augenblicke, dann würde sie anfangen zu sterben.
    In einem dieser Augenblicke dachte Elsa, dass dies nicht die schlechteste Lösung all ihrer Probleme wäre. Zwar war sie unendlich traurig darüber, ihre Eltern nie mehr wiederzusehen, andererseits hatte die Aussicht auf ein Ende oder die Freiheit etwas Verlockendes. Sie könnte sich ausruhen oder vergessen oder was man sonst so tat, wenn man ein Rabe war und starb. Sie hatte es satt, eine Gefangene zu sein. Wenn sie auch eine Gefangene ihres Schicksals bliebe – falls es so etwas überhaupt gab – so wäre sie doch Gaiuper los und die Möwen und die Ausgleicher auch. Für eine Weile wenigstens.
    Diese Vorstellung bewirkte, dass sie aufhörte, sich zu wehren. Sollte der schwarze Rauch doch kommen und sie umbringen. Ende, aus, alles vorbei. Das war ehrlich empfunden, doch genau diese Selbstaufgabe war es, die den Reif seiner Wirkung beraubte. Das war nicht beabsichtigt gewesen, sie hätte es gar nicht absichtlich hervorrufen können, aber dieser eine Moment, als sie dem Tod offen ins Gesicht sah, reichte aus, um sie überraschend und nur für kurze Zeit zu befreien. Es war ihr gar nicht bewusst, was da vor sich ging, sie spürte nur diesen Wind, der ihr aus dem Zwischenraum entgegenblies. Ein überraschender Wind, der so gut duftete, dass sie einen Schritt machte, in den Wind hinein. Dabei nahm sie diejenigen, die sich an ihr festhielten, mit. So geschah es zum ersten Mal, dass sie eine Welt verließ und eine andere betrat, ohne ein Tor zu benutzen. Man hatte ihr gesagt, dass sie es könnte. Aber dass sie es jemals tun würde, hatte sie nicht geglaubt.
    Sinhine und Kamark – er war es nämlich, der sich an Elsas Arm geklammert hatte – waren sehr erstaunt, als sie so plötzlich der giftigen Luft entronnen waren und sich in einer einsamen Landschaft wiederfanden, auf einer Hochebene, die von Steinen übersät war. Die Steine waren graugrün von Moos und Flechten im Licht eines trüben Tages. Die Wolken hingen so tief, dass ihre nassen Schleier die Gesichter der Neuankömmlinge streiften.
    „ Was …“, sagte Kamark und dann sagte er erst einmal nichts mehr. Er ließ Elsas Arm

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