Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
dunkle Ferne zurück und er kam auch nicht, als sie ihn zum Essen riefen.
„ Gar nicht so schlecht“, sagte Sinhine kauend.
„ Ja“, erwiderte Elsa, „es geht.“
„ Von mir aus könnte er verhungern“, stellte Sinhine fest, „aber wir brauchen ihn. Ich hoffe, wir finden morgen etwas, das für den Jammerlappen gut genug ist.“
Es umgab sie schwarze Nacht und feuchter Nebel. Elsa musste an das Feuer denken, dem sie entflohen waren. Gegen ein bisschen Feuer hätte sie jetzt nichts gehabt und doch schauderte sie, wenn sie an die Flammen dachte, in denen sie fast verbrannt wäre. Sinhine, Kamark und sie waren wahrscheinlich die einzigen Überlebenden.
„ Hoffentlich geht es Hoppier gut“, sagte Elsa. „ Wo er jetzt wohl ist?“
„ Tegga wird schon ein Auge auf ihn haben. Bestimmt kämpfen sie gerade um Bulgokar.“
„ Die Möwen und die Rabendiener?“
„ Die Möwen und die Ausgleicher gegen uns. Sie werden denken, dass du tot bist. Vorübergehend.“
„ Vielleicht auch für immer“, sagte Elsa.
„ Nein, nicht für immer“, widersprach Sinhine. „Du hast einen Vertrag auf deinem Rücken. Gaiuper wird dich finden, mach dir keine Sorgen. Wenn Kamark versagt, haben wir wenigstens diese Hoffnung.“
„ Wie soll Gaiuper mich finden, wenn er mich für tot hält? Wie soll das überhaupt gehen? Hinterlasse ich Fußspuren im Universum?“
Elsa hörte ein Geräusch. Kamark war zurückgekommen, doch er bemühte sich, leise zu sein. Er belauschte sie. Sinhine musste es auch hören, sie hatte ein viel besseres Gehör als Elsa, doch sie kümmerte sich nicht weiter darum.
„ Spuren, das stimmt. Natürlich keine Fußspuren. Aber die Spuren deines Vertrages, die Spuren dieser heiligen Schrift auf deinem Rücken, die sind wie ein Band zwischen dir und deinen Dienern.“
„ Heilig, ja?“
„ Heilige Dinge übersteigen unsere Vorstellung“, sagte Sinhine. „Aber von ihrer Wirkung sind wir betroffen.“
Elsa hoffte, dass sie von keiner Wirkung betroffen sein würde, die mit den lächerlichen Buchstaben auf ihrem Rücken zusammenhing. Sie wollte nicht zurück und sie wusste, wenn es gelänge, Kamark mit schmackhaften Speisen zu versorgen, dann würde er gewissenhaft jedes Tor übersehen, dem sie begegneten. Diese Vorstellung gefiel Elsa und so schlief sie schließlich auf einem feuchten Lager aus Moos ein. Ihre Verletzung spürte sie kaum noch. Erst am nächsten Morgen stellte sie fest, dass sie ihren linken Arm kaum noch bewegen konnte. Er war taub.
KAPITEL 9
Sinhine tat für Elsa, was sie tun konnte. Aber das war nicht viel. Die Wunde wurde mit trockenem Moos bedeckt und der Arm in eine Schlinge gewickelt. So verließ Elsa mit den anderen die felsige Hochebene. In den Tagen, die folgten, wanderten sie von Sumpf zu Sumpf, von Wald zu Wald, von Hochebene zu Hochebene. Den Menschen, die hier lebten, gingen sie aus dem Weg. Es waren merkwürdige Menschen mit Haaren im Gesicht und großen Nasenlöchern. Kamark nannte sie Neandertaler. Die Neandertaler bewegten sich lautlos, schnupperten in die Luft, horchten aufmerksam, wenn es scheinbar still war und bestimmten dann ihre Marschrichtung. Elsa fand, es könnte hilfreich sein, sich mit ihnen auszutauschen, doch Kamark wurde immer kreidebleich, wenn sie diesen Vorschlag machte. Er schimpfte dann, er wolle nicht als Schrumpfkopf oder Bärenköder enden. Sinhines Lippen wurden schmal, wenn er seine Panikattacken bekam, doch sie sagte nichts. Sie hatte sowieso kein Interesse an den Tiermenschen, wie sie sie nannte, denn für sie ging es nur darum, ein Tor zu finden, das sie nach Hause brachte. Elsa hingegen dachte an eine Zukunft ohne Tore.
Immerhin gelang es Sinhine an den meisten Tagen, ein Feuer zu entzünden. Kamark war nie wegzubringen von den wärmenden Flammen. Selbst wenn Sinhine unmittelbar beim Feuer ein Tier zerlegte, was Kamark überhaupt nicht sehen wollte, blieb er, saß da mit geschlossenen Augen und verzehrte schließlich das geröstete Fleisch, das man ihm reichte. Jedoch nicht, ohne zu klagen, dass es an Salz fehlte.
Schlechte Laune war etwas Typisches für Kamark. Er schimpfte, wenn er morgens aufstand, und er stöhnte, bevor er abends einschlief. Doch manchmal, wenn Sinhine auf der Jagd war und er mit Elsa am Feuer saß und versuchte, aus abgenagten Knochen Werkzeuge zu basteln, da sprachen sie wie alte Freunde miteinander. Kamark hatte alle Angst, die er einmal vor Elsa gehabt hatte, abgelegt. Er zeigte sogar Verständnis.
„ Du
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