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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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auf diese Weise die meisten Vorteile hat.“
    „ Er ist ein Lügner!“
    „ Das ist Gaiuper doch egal. Hauptsache, er erledigt seine Arbeit.“
    Das sagte Elsa nicht ohne Schuldbewusstsein. Denn auch sie spielte eine Rolle. Sie hatte Gaiuper und Sinhine Erleichterung vorgespielt, hatte ihnen verschwiegen, dass sie das Tor selbst geschaffen hatte, und beteuerte, dass sie sich auf weitere Herausforderungen freute. Das wollten sie hören – das sollten sie zu hören bekommen. Ob sie es von Markus Kammer gelernt hatte oder einfach zu müde war, Widerstand zu leisten, das wusste sie nicht. Jedenfalls ging sie in Deckung, um im rechten Moment, wie sie glaubte, die Flucht ergreifen zu können.
    Denn Gaiuper war längst nicht geschlagen. Es war ihm gelungen, nach Bulgokar zurückzukehren, mitsamt dem entführten Vogel und einer beträchtlichen Anzahl Krieger. Als Möwen und Ausgleicher scharenweise anrückten, um die Festung zu erobern, floh der Raben-Feldherr mit seinen Untergebenen durch das verborgene Tor in den Kellern und verbündete sich mit den so genannten Ganduup. Er schätzte sie nicht, diese völlig andere Sorte von Rabendienern. Doch die Ganduup waren stark und ihr Aufenthaltsort den Möwen und Ausgleichern unbekannt. Dort suchte Gaiuper Unterschlupf und mit Holanda, der Herrin der Ganduup, kam er überein, dass sie gemeinsam unbesiegbar seien.
    Von den Ganduup hatte Elsa während ihrer Ausbildung des Öfteren gehört. Sie waren schreckliche Geister mit schönen Gesichtern. Gaiuper fürchtete sie und hätte sich mit Sicherheit nicht auf sie eingelassen, wäre er nicht fast von seinen Feinden überwältigt worden. Er besaß zwei Trümpfe – einen Raben im Käfig und einen freien – und das reichte, um ihm die Gunst Holandas zu sichern. Elsa hörte seinen Berichten über das Bündnis gelassen zu. Noch mehr Spinner, so hätte es Kamark ausgedrückt. Noch mehr große Reden von Gaiuper. Dabei war er gleich bei der ersten Schlacht kläglich gescheitert, wenn man mal von der wertvollen Beute absah. Elsa glaubte nicht, dass Holanda und Gaiuper die Welten erschüttern könnten. Doch hier war sie zu sorglos.
     
    Der Sand in Ganduup war silbern und das Wasser türkis. Das Kloster, in dem Holanda und ihre Getreuen wohnten, stand auf einem Felsen mitten im Meer. Es war eine weiße Festung, deren Form Elsa an ein Schneckenhaus erinnerte. Die Ganduup, die den gleichen Namen trugen wie ihre Welt, sahen freundlich aus, trugen helle Gewänder und Schmuck aus matten, grünen Steinen. In den Wochen, die Elsa hier verbrachte, zog keine Wolke über den Himmel, kein böses Wort fiel im Inneren der Klostermauern, nur Musik erklang, gesungen von unirdischen Stimmen und gespielt auf Muschelflöten und ausgehöhlten Obstkernen. Holanda trug seidige Gewänder und einen Stirnreif, der perlmuttartig schillerte und flimmerte wie ein Trugbild.
    „ Warum sehen die Ganduup so schön aus?“, fragte Elsa am ersten Abend. „Ich dachte, sie wären Rabendiener?“
    „ Das sind sie auch“, sagte Gaiuper. „Sie sind grausamer als wir.“
    „ Wie können die grausam sein? Sie mögen Licht und machen schöne Musik.“
    „ Licht und Musik können sehr grausam sein.“
    „ Warum?“
    „ Die Erinnerungen“, sagte er, „die Träume, das Licht, sie können einen Menschen um den Verstand bringen. Damit verwirren sie unsere Feinde.“
    Das Obst der Ganduup schmeckte weich und tröstlich, der Duft des Meeres machte Elsa wieder fröhlich. Hoppier, der wie Elsa einen verletzten Arm in der Schlinge trug, jagte Fische und baute Sandschlösser wie ein richtiges Kind. Nur die Vogelmenschen waren unglücklich. Ihre Federn wurden spröde von der Salzluft und sie fühlten sich auf der Insel eingesperrt. Sinhine war misstrauisch. Sie verbrachte ihre Zeit an den kühlsten und dunkelsten Plätzen, die sie finden konnte, und erzählte Elsa, dass sie die Hilfe der Ganduup lieber ausgeschlagen hätte.
    „ Sie sind Gaukler. Sie lügen mehr als dass sie die Wahrheit sagen.“
    „ Warum?“, fragte Elsa.
    „ Das weiß man doch“, sagte Sinhine. „Sie glauben an Luftspiegelungen.“
    „ Wie meinst du das?“
    „ So, wie ich es sage. Wir glauben an das, was fest ist. Was man anfassen kann. An die Wahrheit. Die Ganduup mögen das Gegenteil. Es gibt hier Luftbilder, die spiegeln weit entfernte Orte. Die Ganduup lesen aus solchen Luftlügen die Zukunft.“
    „ Sollen sie doch.“
    „ Du verstehst mich nicht“, sagte Sinhine. „Sie wollen nicht wissen, was

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