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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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erscheinen. Manchmal fragte sich Elsa, ob er vergessen hatte, dass die Ganduup so viel stärker waren als er. Dass er nur eine Person war, die sie in ihre Dienste genommen hatten, und nicht umgekehrt.
    Neuankömmlinge fürchteten Gaiuper. Die Rabendiener, die er an entlegenen Orten ausfindig machte, verehrten ihn als den Heilsbringer, der sie in die Schlacht ihres Lebens führte. Nur wenige Welten besaßen so etwas wie ein Rabenkloster, in dem eine Lehre gepredigt und Anhänger gewonnen wurden. Die meisten Rabendiener lebten im Verborgenen und hielten lose miteinander Kontakt. Sie alle glaubten an einen göttlichen Raben, der sie ins Paradies der Alten Welt zurückführen werde. Mehr verband diese Diener nicht mit Gaiupers Kriegern oder Holandas Gefolgschaft. Doch dieser gemeinsame Glaube an einen heiligen Weg reichte aus, um sie kriegsbereit zu machen. Wer stark genug war, wurde von den Schlägern unterrichtet. Die anderen durften das Heer begleiten und die niederen Arbeiten verrichten. Elsa glaubte, dass diese Menschen, die mit Hingabe die Pferde pflegten oder die Kessel schrubbten, keine Ahnung hatten, welch verrücktem Weg sie eigentlich folgten. Manchmal war sie versucht, ihnen die Augen zu öffnen, ihnen zu verraten, dass der Weg in ein schwarzes Nichts führen sollte. Doch sie tat es nicht. Nicht nur, dass ihr der Mut dazu fehlte. Sie wusste auch, wie es Dienern erging, die sich von der großen Idee abwandten.
    In diesen Zeiten, als Gaiuper und Holanda ihre Diener sammelten, gab es für Elsa nicht viel zu tun. Sie hielt sich im Lager auf und wenn die Krieger auszogen, um Vorräte zu erobern, war Elsa nicht erforderlich. Gaiuper versuchte sie aus Kämpfen herauszuhalten, wusste er doch, wie ungeschickt sie war. Er verlangte nur, dass sie sich weiterhin von den Schlägern unterrichten ließ. So verbesserte sie die eine oder andere Kampftechnik, ohne jemals überragend zu werden. Nur wenn sie, ganz auf das Ziel konzentriert, das man ihr gesetzt hatte, mit ihrer Gefolgschaft nahezu verschmolz, wenn sie in dem Bewusstsein handelte, die einsame Speerspitze eines riesigen Heeres zu sein, dann vermochte sie Außergewöhnliches. Doch diese Zustände der Geistesverlorenheit ängstigten sie. Auch wenn es auf verwirrende Weise schön war, tausend Mann stark zu sein und eine fremde, mächtige Rabenkönigin im Spiegel zu erblicken, so blieb sie doch lieber schwach, wann immer es ihr erlaubt war, und lebte in den Tag hinein.
    Am liebsten machte sie Ausritte auf ihrem Pferd, das keinen Namen haben durfte. So hatte es Gaiuper befohlen. Das Pferd war pechschwarz, so wie es sich für ein Rabenpferd gehörte, und brav wie ein Lamm. Denn wenn Elsa auch ordentlich Reiten gelernt hatte, so war sie doch auch keine Heldin in dieser Disziplin, und eine Rabenherrin, die sich beim Reiten mal eben das Genick brach, passte nicht in Gaiupers Pläne. Also durfte dieses bildschöne, brave Pferd die Rabenkönigin tragen. Hätte es Elsa nicht besser gewusst, so wäre sie sich als Kriegerin mit wehenden Haaren auf dem rassigen Rappen unglaublich großartig vorgekommen.
    Hoppier besaß ein weißes Pony namens Hensel, auf dem er mit nur einer Hand an den Zügeln viel zu halsbrecherisch herumgaloppierte. Im Gegensatz zu Elsas Arm war Hoppiers Verletzung nie ganz verheilt. Sein Arm schmerzte, wenn er ihn bewegte, auch konnte er ihn nicht mehr richtig knicken. Er benutzte ihn fast gar nicht mehr, war aber dafür mit dem gesunden, rechten Arm umso geschickter. Mit Hensel sprang er über die höchsten Hindernisse und die breitesten Gräben. Wie von einer unsichtbaren Hand geschützt und gehalten, schaffte er es jedes Mal, heile anzukommen, selbst wenn Elsa die Augen schloss, um nicht zu sehen, was geschehen musste. Hatte er sein Glück für einen Morgen lange genug herausgefordert, warf er sich neben Elsa ins Gras und fragte sie aus.
    „ Du bist uralt und weißt nicht, was du die ganze Zeit gemacht hast?“
    „ Meine Erinnerungen beginnen mit fünf Jahren. Was davor war, weiß ich nicht.“
    „ Du musst es herausfinden.“
    „ Wozu?“
    „ Das kann doch wichtig sein“, sagte er. „Außerdem will ich es wissen.“
    „ Es ist vergessen und verloren. Wenn ich mal sterbe, wird auch das hier vergessen und verloren sein. Dieser Tag und das Gras, in dem wir hier liegen. So ist das nun mal.“
    „ Unsinn“, sagte Hoppier, „wir wollen doch die Alte Welt finden und unsterblich werden. Hast du das vergessen?“
    Sie zuckte mit den Achseln.
    „ Jetzt

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