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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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gelenkig von einem Boot ins andere sprang.
    „ Entschuldigt mich“, sagte er zu seiner Gesellschaft, ergriff Elsas Ruder und brachte das Boot außer Hörweite.
    „ Wie du aussiehst!“, sagte Elsa. „Als wärst du ein anderer.“
    „ Hier in Brisa pflege ich mich ein bisschen zu verkleiden. Meine Frau auch. Siehst du sie? Es ist die Hübsche, Schwarzhaarige, da drüben im Boot.“
    „ Der rote Drachen?“
    „ Ja, sie gibt einen prächtigen Drachen ab. Meine Madelene.“
    „ Sie sieht nett aus. Aber warum verkleidet ihr euch?“
    „ Das fragst ausgerechnet du?“
    „ Ich verstehe nicht, was du meinst“, sagte Elsa und nahm einen Schluck aus ihrem Krug. Leimsel hatte nun einen abgelegenen Teil der Grotte erreicht. Er ließ die Ruder sinken, faltete die Hände und beugte sich zu Elsa vor.
    „ Amandis im Roten Hahn? Undenkbar. Sie würde sich auch anders verhalten als du.“
    „ So ist das also.“ Elsa beobachtete ein fernes Fackellicht, das sich im Wasser spiegelte. „Du hast es also die ganze Zeit gewusst?“
    „ Nicht die ganze Zeit, aber irgendwann wurdest du mir verdächtig.“
    „ Dann gehörst du womöglich zu diesen Ausgleichern? Aus Antolia?“
    „ Tatsächlich komme ich aus Antolia, ohne ein Ausgleicher zu sein. Ich gehöre einer Minderheit an, die sich aus der ganzen Rabenfrage heraushält. Aber was machst du hier? Nach allem, was ich weiß, hast du gestern noch König Nada gequält.“
    Kühle, feuchte Luft wehte Elsa aus einem schwarzen Arm der Grotte entgegen. Es roch nach Salz und fauligen Algen. Sie wusste nicht, wie sie ihre Situation einschätzen sollte. Bestimmt war es nicht klug, mit Leimsel zu reden. Andererseits tat es gut. Dieses alte Gefühl, dass er ihr Freund sei, war immer noch da. Jahre waren vergangen, aber der Mann war ihr vertraut. Außerdem hatte sie das Bedürfnis zu reden. Jemandem zu sagen, wie sehr sie in der Klemme steckte.
    „ Ich habe mich abgesetzt“, erklärte sie ihm. „Die ganze Zeit hatte ich so einen Ring um den Hals. Einen Ring, der – wie soll ich sagen – mich daran gehindert hat zu gehen, wohin ich will.“
    „ Ja, man nennt ihn den Reif der Begierde.“
    „ Begierde?“
    „ Von jeher ein Instrument, mit dem die Rabendiener ihren Raben unterjocht haben. Dabei lässt er sich leicht entfernen. Ein Geliebter oder eine Geliebte erfüllen den Zweck.“
    „ Ein Geliebter! Nicht bei mir. Ich habe meinen Reif im Kampf verloren. Ich weiß nicht, wie.“
    „ Der Reif verliert seine Wirkung, sobald du jegliche Form des Willens ablegst“, sagte Leimsel. „Deswegen heißt er Reif der Begierde. Wenn einer nichts will, nichts verlangt, nichts wünscht, dann wird der Reif machtlos. Normalerweise richtet er den Willen des Trägers gegen diesen selbst. Doch ohne Willen gibt es keinen Widerstand. Das Dumme an der Sache ist, dass der Träger des Reifs hilflos wird, sobald er den Willen, der ihn einkerkert, glücklich losgeworden ist. Ohne Willen ist er frei, doch kann er nicht mehr handeln. Er will nichts mehr, er möchte nichts mehr, er braucht nichts mehr. Ist er frei, wünscht er keine Freiheit mehr, und so bleibt der Reif, wo er ist. Der Träger wird ihn nicht entfernen. Sobald aber Wunsch und Wille zu ihm zurückkehren, gewinnt der Reif an Kraft und wird wieder zum Gefängnis. Verstehst du das?“
    Elsa nickte. Genauso war es ihr mit dem Reif ergangen.
    „ Hier kommt nun der Geliebte ins Spiel“, erklärte Leimsel. „Eine Rabenkönigin macht sich einen Jüngling gefügig und nimmt ihm das Versprechen ab, dass er ihren Reif durchtrennt, sobald sie in den Zustand der Willenlosigkeit gelangt. In diesem Moment ist der Reif weich wie Butter. Mit einem stumpfen Messer könnte man ihn in lauter kleine Stücke schneiden.“
    Elsa hörte Leimsel zu und wunderte sich.
    „ Hat Todesangst eine ähnliche Wirkung?“
    „ Wenn sie dich dazu bringt, dich selbst zu vergessen und deine kleinen menschlichen Wünsche zu begraben, dann ja.“
    „ Das macht den Reif so weich wie Butter?“
    „ Na ja, ein bisschen härter wird er schon sein, aber man kann ihn durchtrennen.“
    „ So kam das also“, stellte Elsa fest. „Aber es war nicht mein Geliebter, der das getan hat, sondern ein Ausgleicher, der mir die Kehle durchschneiden wollte.“
    „ Auch diese Anordnung führt zum Erfolg. Dafür sieht deine Kehle aber noch ganz intakt aus.“
    „ Ich hatte mir gesagt, dass es vernünftig wäre zu sterben. Dummerweise hat mir der Tod zu viel Angst eingejagt, also hab ich mich

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