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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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hatte, und er war zu ihrer Verabredung in der Zukunft erschienen.
     
    „Eben warst du noch nicht da“, sagte sie. „Woher kommst du so plötzlich?“
    „Ich war da, aber ich habe alle Aufmerksamkeit von mir abgelenkt. Ein Trick, mit dem man sich fast unsichtbar machen kann. Wenn es eine Zukunft gäbe, dann würde ich ihn dir beibringen.“
    „Dann gibt es keine Zukunft?“, fragte Elsa bestürzt
    „Wie man’s nimmt“, sagte er. „Irgendeine wird es schon geben, aber ob wir dabei sind? Komm, wir gehen ins Trockene.“
    Er öffnete die unverschlossene Tür des Kinos. Was Elsa im Inneren sah, lenkte sie für einen Moment von allen Sorgen ab. Sie kannte den großzügigen Vorraum des Kinos wirklich gut. Aber früher hatten hier Neonleuchten gebrannt, die Wände waren pastellgelb und rosa gewesen und es hatten immer viele Leute herumgestanden, rauchend, Brause trinkend oder Popcorn essend. Jetzt war fast alles in Dunkelheit gehüllt. Nur auf und hinter dem Tresen, wo normalerweise die Popcornmaschine stand und Studenten die Kinokarten verkauften, brannten unzählige Kerzen. Sie hüllten mehrere dreibeinige Sessel, die früher bei der Getränkeausgabe gestanden hatten, in warmes Licht. Carlos hatte sie in die Nähe des Tresens geschoben und so arrangiert, dass er auf einem sitzen, auf dem zweiten seine Beine ablegen, auf dem dritten sein Essen und seine Getränke abstellen und auf dem vierten Bücher stapeln konnte, von denen er sich eine Menge mitgebracht hatte. Hier in Kristjanstadt, kurz vor einem Bombenangriff, schmökerte er also in aller Seelenruhe vor sich hin.
    „Ich wusste nicht genau, wann du kommst“, erklärte er, „ nur dass es jetzt um diese Zeit sein wird. Also bin ich vor vier Wochen hier eingezogen.“
    Die Tür fiel hinter Elsa zu und schloss Kristjanstadt, den Regen und die grauen Straßen aus. Obwohl Elsa das Kino so gut kannte, war es jetzt ein fremder, entrückter Ort. Ein Ort, an dem ein Rabe schaltete und waltete.
    „Es ist dir also nicht gelungen, die Zukunft zu ändern?“, fragte sie.
    „Nein“, antwortete er und räumte den Bücherstapel von dem einen Sessel fort. „Setz dich, mach es dir gemütlich. Kann ich dir etwas zu trinken anbieten? Der Kinobesitzer hat eine Menge Getränkekisten im Keller stehen lassen.“
    „Gerade nicht, danke. Ich möchte lieber wissen, warum die Welt untergehen wird. Hast du einen Plan, wie du es verhindern willst?“
    Ungeachtet dessen, was Elsa gesagt hatte, griff Carlos hinter den Tresen, holte eine Flasche hervor und öffnete sie mit dem üblichen Zisch-Geräusch. Die grüne Brause. Er stellte sie neben Elsas Füße auf den Boden.
    „Falls du doch noch Durst bekommst.“
    Er hängte seinen Hut an einen Garderobehaken, nahm dann auf seinem gewohnten Sessel Platz und nickte mehrmals gedankenvoll vor sich hin.
    „Willst du da stehen bleiben?“, fragte er.
    Elsa zog den Sessel, den er für sie vorgesehen hatte, nah an den Tresen mit den Kerzen heran. Ihr war kalt und von dort kam eine behagliche Wärme. Dann setzte sie sich.
    „Rede!“, forderte sie ihn auf.
    „Ja, es ist leider so“, sagte er nun, „dass alles aufhören wird. Ich weiß es seit dem Tag meiner Ankunft in diese m Teil der Welten.“
    „Bist du dir ganz sicher?“
    „Mittlerweile ja. Am Anfang war es nur eine Unregelmäß igkeit. Damals, als ich hierher kam, habe ich festgestellt, dass ich jenseits einer bestimmten Schwelle nichts wahrnehmen kann. Ab diesem Zeitpunkt in der Zukunft gab es keine Schlaglichter mehr, keinen Taschenlampenschein auf die Ereignisse, die kommen werden. Ich wusste, dass es nichts mit meinem persönlichen Ende zu tun hat. Wir Altjas können eine Menge sehen, auch Ereignisse, die jenseits unseres Todes stattfinden werden. Wir sehen zwar nicht viel aus unseren jenseitigen Tagen und wir sehen es auch nur verschwommen oder blass. Trotzdem macht sich die Zukunft bemerkbar, dann und wann. Wenn es sie gibt. Diese merkwürdige Schwelle, hinter der nichts mehr ist, hat mich ein paar Jahrzehnte lang verwundert, doch nicht weiter gestört. Damals lag sie noch in weiter Ferne. Dann aber kam der Tag, an dem ich zum ersten Mal die Vision hatte, die mich seither verfolgt: Immer wieder sehe ich, wie alles, was ist, fast unsichtbar erschüttert wird. Viel zu kurz hängt es in der Schwebe – und verschwindet dann. Ich fühle genau, wie es sein wird. Ich vernehme den Moment, in dem alles aufhören wird.“
    „Wann? Wann wird das sein?“
    „In drei Wochen vielleicht,

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