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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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gründlich ausgesucht haben und deren körperlichen Zustand wir geprüft haben. Wir werden eine Kopie dieses alten Menschen und retten uns weiter über die Zeit. Bis zur nächsten Verwandlung. Ich stecke jetzt im Körper eines rüstigen Sechsundachtzigjährigen. Als ich seine Gestalt angenommen habe, war er neunundsiebzig. Davor war ich der Mann, der Angais geraten hat zu sterben. Nikodemia habe ich diesen einmaligen Wechsel meines Aussehens nie erklärt. Dass man sich so selten wie möglich verwandeln sollte, ist sowieso eine Grundregel. Auf diese Weise hat Nikodemia an mir nur eine einzige Verwandlung erlebt, von einem alten Mann in einen anderen alten Mann. Der gute Niko. Ich vermisse ihn sehr.“
    Damit warf er noch einen Angelhaken aus, an dem Elsa hängenblieb. Sie war zu neugierig, um Carlos umbringen zu wollen.
    „Weißt du, wo Niko ist?“, fragte sie. „Wie geht es ihm?“
    „Ich sehe ihn nur noch einmal, kurz vor dem Ende der Zeit. Da streitet er sich mit eurer Freundin Morawena wegen eines Stadtplans. Sie können sich nicht einigen, wo ein bestimmter Ort ist, den sie suchen. Sonst scheint es ihnen gut zu gehen. Sie sehen weder hungrig noch verwahrlost aus. Im Gegensatz zu uns beiden.“
    In Elsa stieg die Wut wieder hoch. Wie konnte er es wagen, sich und Elsa in einem Atemzug zu nennen? Sie umschloss ihre Brauseflasche so fest mit beiden Händen, dass es wehtat, und starrte ihn böse an.
    „Es gibt auch Trinkhalme“, sagte Carlos. „Möchtest du einen?“
    „Nein. Rede weiter!“, befahl Elsa. „Achthundert Jahre. Was hast du da gemacht? Leute umgebracht? Sie gequält, eingesperrt und in den Tod getrieben? Oder machst du das nur mit mir?“
    „Na ja“, sagte Carlos und schlug ein Bein übers andere, „ein braver Mann war ich nicht immer. Trotzdem entspricht es meiner Grundstimmung, niemandem etwas zuleide zu tun. Als ich sah, dass es hier keine Beschränkungen für mich gibt und ich frei bin, von ein paar Feinden abgesehen, da habe ich mir die ganzen Geschichten genau angehört. Von Kundrien, vom letzten Tor und der Bestimmung eines Raben. Das hat mich neugierig gemacht. Zwei, drei Raben-Feldzüge gehen auf mein Konto, das gebe ich zu, aber da war ich noch jünger und wandlungsfähiger und konnte auch mal einen fast toten Körper ohne eine Schramme verlassen. Damit ist es schon lange vorbei und wirklich befriedigt haben mich diese Schlachten nie. Ich wollte wissen, wo denn das letzte Tor zu finden sei. Spielte auch mit dem Gedanken, es zu durchwandern, da der Weltuntergang ja sowieso nur eine Frage der Zeit war. Aber weder meine Feldzüge noch meine Hellsichtigkeit haben mir jemals das letzte Tor gezeigt oder mir erklärt, wie man es zu durchschreiten hat. Erst jetzt, da du und Gaiuper es herausgefunden haben, weiß ich es.“
    Er kratzte sich am Kinn zwischen den Bartstoppeln und wagte es, Elsa anzugrinsen. Wie ein Opa, der eine lustige Geschichte erzählt.
    „Ich hab auch gute, sinnvolle Dinge getan“, versicherte er. „Ich habe geheiratet, einmal, zweimal, dreimal … Als Altja soll man das normalerweise nicht tun. Sie sagen, das hält einen vom Weg ab. Es verstrickt einen in die Niederungen des Irdischen und hindert uns daran, einen höheren Zustand anzunehmen. Schön und gut, aber ich war endlich frei von Regeln und habe es mir erlaubt, mich zu verlieben. Ich war ein guter Ehemann. Ich habe Kinder bekommen und Kindeskinder. Meine Frauen habe ich überlebt, meine Kinder und Kindeskinder auch und irgendwann musste ich auch deren Kinder verlassen und ein anderes Leben mit einem anderen Gesicht leben. In den ersten Jahrzehnten habe ich noch heimlich nach meinen Nachfahren gesehen, aber später wurden sie mir fremd, alle miteinander. Die Liebe ist eine einzige Verlustgeschichte, jedes Mal. Die letzten vierhundert Jahre war ich nicht mehr verheiratet und halte es jetzt damit, wie es die Altjas wünschen: Ich kümmere mich nicht mehr darum. Uns aufzulösen in unserem Universum, darin zu stecken und doch alles zu vermögen, das ist unser Ziel. So vollkommen zu sein, dass wir nichts verderben, wenn wir die Kraft selbst sind, die alles zusammenhält und auseinandertreibt, darauf arbeiten wir hin. Also reiste ich, las alles, was es zu lesen gibt, dachte nach, fühlte in alle Richtungen, hielt Ausschau. Übte mich. Wenn ich auch nicht behaupten kann, dass ich dem großen Ziel sehr viel näher gekommen wäre, so habe ich doch vieles gefunden, das mir etwas bedeutet. Insbesondere die Hochwelten haben

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