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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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die Kammer verwendet, die eines Tages fertig war. Es war ein kleiner Raum ohne Fenster, mit vier Ein- und Ausgängen, die in andere dunkle Räume führten. Die Kammer und die anderen Hallen gehörten zu einer kleinen Tempelanlage, in der Katzen gehalten wurden. Nicht irgendwelche Katzen, sondern besonders verehrungswürdige Katzen. Sie sind groß, viel größer als gewöhnliche Katzen. Wenn sie sitzen, reichen sie einem bis an die Brust. Es sind wunderschöne Tiere mit rätselhaften, gütigen Augen. Ihre Körper sind warm und geschmeidig und sie bewegen sich in vollendeter Schönheit. Als die Kammer fertig gestellt war, ließ man die Katzen dort ein- und ausgehen und sie liebten diesen Raum. Es begann das Wunder, das mich viele Jahrtausende später verzauberte: Die Katzen liegen auf den Steinen und wandeln über Bänke, Treppen und Wandnischen aus Aeiolen. Mit ihren warmen Körpern zaubern sie einen Lichtschein in die Dunkelheit, der die Menschen zum Weinen bringt. Nirgendwo sonst habe ich so ein Licht gesehen, so einen Trost gespürt, so ein Glück in mir gehabt wie an diesem Ort. Es war, als hätte sich die Bestimmung meines Daseins erfüllt, als ich das Licht, die Katzen und die warme Dunkelheit das erste Mal erlebt habe. Aber kaum verließ ich die Kammer und alle anderen Hallen, die mittlerweile dazugehören, fühlte ich mich verlassen. Zwar trug ich die Erinnerung in mir und kann sie immer noch abrufen, nach all den Jahren. Aber das Glück ist nicht das Gleiche. Nur in der Kammer selbst durchdringt es mein ganzes Sein.“
    „Zu einem besseren Menschen hat es dich aber nicht gemacht“, sagte Elsa.
    „Doch, das hat es schon“, widersprach Carlos. „Der Erhalt der Welten, die Zukunft dieses Ortes, das lag mir fortan sehr am Herzen. Es mag für dich grausam klingen, aber in dieser Frage bin ich mit Torben Antur einig. Wenn wir alles retten können, indem wir ein Geschöpf opfern, dann ist das hart, aber der einzig richtige Weg. Ich stand vor der Wahl. Ich konnte dich in Ruhe lassen und damit alles zerstören oder versuchen, dich zu zerstören, um damit alles andere zu retten. Es leuchtet dir ein, dass ich mich für deine Zerstörung entschieden habe, oder?“
    Dieser Logik konnte sich Elsa kaum entziehen.
    „Wenn es nun deine Zerstörung wäre“, sagte sie, „die uns rettet, würdest du dann zu Torben Antur laufen und dich freiwillig auslöschen lassen?“
    „Nicht doch. Ich würde mich wehren, genauso wie du es getan hast.“
    „Du würdest dich wehren, auch nach achthundert Jahren, in denen du tun und lassen konntest, was dir Spaß macht? Du kämst nicht auf die Idee, dich zu opfern?“
    „Jeder tut, wozu es ihn drängt. Mich drängt es nicht dazu, in mein eigenes Verderben zu laufen. Aber wenn die anderen meine Vernichtung für richtig halten, aus mir nachvollziehbaren Gründen, dann akzeptiere ich es. Dann sollen sie Jagd auf mich machen. Trotzdem werde ich ihnen ausweichen, so wie es meiner Natur entspricht.“
    Elsa schaute Carlos an und musste feststellen, dass er die Ruhe selbst war. Er schien sich tatsächlich abgefunden zu haben mit dem Ende aller Dinge. Im Gegensatz zu Elsa. Sie wollte immer noch glauben, dass das Unheil aufgehalten werden könnte. Doch je länger sie Carlos zuhörte, desto bewusster wurde ihr, dass es keinen Plan gab, den er noch aus dem Ärmel zu ziehen gedachte. Er hatte beschlossen, die Zeit bis zum Weltuntergang hier abzusitzen. Vielleicht sollte sie das Gleiche tun. Wenigstens war es warm, zwischen all den Kerzen.
    „Diese Kammer“, nahm Carlos seine Erzählung wieder auf, „war ursprünglich ein kleiner Raum, wie ich schon sagte. Aber alle Menschen wollten ihn sehen. Alle liebten ihn. Daher beschloss man, den ganzen Tempel und weitere Hallen, die neu gebaut werden sollten, mit Aeiolen auszukleiden. Es war ein monumentales Werk. Bis ins siebte Jahrtausend hinein war man mit den Arbeiten an diesem Ort beschäftigt. Man sammelte alle Aeiole, die man ausgraben konnte, einzig und allein für diesen Zweck. Die Tagebaustollen waren längst erschöpft, man konnte nur weitere Aeiole bergen, indem man tiefe Schächte grub, sich durch ein ganzes Gebirge hindurch buddelte, um den Tempel fertig zu stellen. Man schaffte es. Immer noch heißt die ganze Anlage nur ‚die Kammer’, aber es handelt sich um große Hallen mit hohen Gewölben und überall sitzen und liegen und wandeln die Katzen, schmiegen sich an den Stein und bringen ihn zum Leuchten. Man muss sich Jahre vorher

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