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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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schon getan hatte. Dieses Rätsel konnte Elsa nicht lösen. War das Kind in der Ganduup-Festung ahnungslos? Oder steckte in dem kindlichen Körper ein erwachsener, machthungriger Geist? Wer plante den Krieg, wer traf die Entscheidungen? Das Kind in der Ganduup-Festung konnte es kaum sein. Hatte Gaiuper vielleicht recht gehabt damit, dass die Priesterinnen nur so taten, als ob sie Holandas Gedanken läsen? Vielleicht stimmte es, dass sie ihrer Anführerin die Worte in den Mund legten, aber insgeheim ihre eigenen Entscheidungen trafen.
    Der Regen und das fortwährende Donnergrollen waren so laut, dass Elsa sich kaum vorstellen konnte, hier an diesem Ort eine Unterhaltung mit Holanda zu führen. Aber loswerden musste sie doch, was sie sagen wollte, und öffnete daher den Mund. Weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment blitzte es wieder und die Wirkung des Blitzes verschlug Elsa die Sprache. Wie schon zuvor verschwanden im hellen Licht alle Ganduup-Gespenster, obwohl sie doch noch anwesend waren. Auch das, was Holanda zu sein schien, verschwand, dafür kam das Mädchen zum Vorschein, das Elsa in der Ganduup-Festung gesehen hatte. Für den flüchtigen Augenblick eines Blitzes stand das Mädchen alleine vor dem Eingang der Ruine, mitten im strömenden Regen in einem pitschnassen, weißen Ganduup-Kleid, barfuß und mit gleißenden Augen wie aus Traumstoff, genauso wie damals. Die Augen waren ein einziges sehnsuchtsvolles Leuchten, das unschuldiger nicht hätte aussehen können. Für den Bruchteil einer Sekunde flackerte dieses Bild auf und verschwand sogleich wieder, um den fahl leuchtenden Ganduup-Gespenstern und ihrer kleinen, kalten Anführerin Platz zu machen. Elsa starrte sie sprachlos an und wusste nicht, was sie davon halten sollte.
    „Komm mit!“, sagte eine Ganduup in Elsas unmittelbarer Nähe. „Holanda möchte mit dir sprechen.“
    Elsa verspürte den starken Wunsch, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Aber sie war noch geistesgegenwärtig genug, um stehenzubleiben und derselben Ganduup eine Bedingung zu stellen.
    „Wenn ich mitkomme, ziehen die Soldaten ab.“
    „Natürlich“, sagte die Ganduup und Elsa kam sich unendlich dumm vor, denn sie hatte nicht den geringsten Einfluss darauf, ob die Ganduup taten, was sie wollte oder nicht. Sie konnte nicht mal nachprüfen, was hier geschehen würde, wenn sie einmal weg war. Die Stimme der Ganduup klang überzeugend, aber wer gab schon etwas auf den überzeugenden Tonfall einer vollendeten Täuscherin?
    Elsa drehte sich noch einmal um, in der Hoffnung, einen letzten Blick auf Brisa zu erhaschen. Doch die Stadt war weitestgehend dunkel und wurde vom Regen verschluckt. Nichts war zu sehen außer einer Andeutung von winzigen Lichtschimmern in einem nebelhaften Dunkel. Es war nicht mal zu sagen, ob diese Lichtschimmer von den Notlampen der Stadt oder den Laternen des Kriegslagers stammten. Enttäuscht wandte sich Elsa der Ruine zu und schritt hinter Holanda in deren Inneres.
     
    Sie fuhren zur Ganduup-Festung, kurz bevor die Sonne aufging. Die See war ruhig und das Boot, in dem Elsa saß, glitt in träumerischem Frieden dahin, einem milchig rosafarbenen Horizont entgegen. Fast wurde Elsa leicht ums Herz, als sei jede Form von Düsternis eine Täuschung und dieser frische, helle Morgen die einzige Wahrheit, die zählte. Elsa stellte sich vor, wie sie weiter und immer weiter fahren würde, bis das Meer aufhörte. Dort, wo sich Wasser und Himmel berührten, könnte Istland beginnen. Elsa würde über den Rand der Welt stürzen und in Suaz aufwachen, in einem Krankenzimmer, gesund und geheilt von ihren hässlichen Wahnvorstellungen. Elsa starrte in die Ferne, als könnte es wahr werden, wenn sie sich nur anstrengte, doch die Fahrt endete, bevor sie den Horizont erreichten.
    Die Bootsanlegestelle wirkte verlassen, ebenso wie die ganze Ganduup-Festung. Niemand erwartete sie, keine menschlichen Dienerinnen liefen herum oder arbeiteten auf der weißen Insel. Elsa fragte eine Ganduup, wo all diese Frauen geblieben seien, und sie erhielt die Antwort, dass sie die Insel verlassen hätten, um selbst Ganduup zu werden. Mit Holanda und ihren Begleiterinnen ging Elsa Runde um Runde durch die sonnigen Flure der Festung, die sich immer höher in die Spitze der Festung schraubten. Dabei wunderte sie sich, dass sie in ihrem Leben höchstens drei oder vier männliche Ganduup gesehen hatte. Die übrigen waren Frauen. Elsa wollte gern fragen, warum das so war, doch mittlerweile waren

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