Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
Vom Netzwerk:
Elsa den Zwischenraum und kehrte in Brisas Wirklichkeit zurück, obwohl es jetzt in Strömen schüttete und das Wasser ganze Schlammlawinen mit sich riss und talwärts wälzte. Zu sehen waren sie nur, wenn es blitzte, doch das kam gerade so häufig vor, dass sich Elsa ein klares Bild von der Umgebung machen konnte. Mit dem schmucken Brisa aus Elsas Erinnerung hatte dieser Ort nicht mehr viel zu tun. Es war eine Vorhölle, und der richtigen Hölle kam Elsa nun endlich in angemessener Geschwindigkeit entgegen.
    Dort, wo vielleicht einmal das Matrosenviertel gewesen war, schwebten zwei Ganduup schwach leuchtend wie Moorgespenster über der schwarzen Schlacke. Elsa hatte sich die Gespenster noch nie so genau angesehen wie in dieser Nacht. Sie hatten Gesichter, sie sahen aus wie Menschen. Doch nichts an ihnen hatte Substanz. Sie waren Erscheinungen, täuschend echt manchmal, jedoch nicht in dieser Nacht. Ihre weißen Gewänder und Gesichter flackerten im Wind und wenn es blitzte, verschwanden sie ganz und gar. Nichts konnte Elsa erkennen im grellen Licht, doch sie spürte deutlich die Anwesenheit der beiden Geschöpfe. Es war zu merkwürdig, wie unkörperlich sie waren.
    Ihre eigentlichen Körper lagen ja auch an einem anderen Ort, schlafend, wie tot. Dennoch war Lebenskraft in diesen Erscheinungen versammelt, Wirkung ging von ihnen aus, mehr als Elsa lieb war. So ein Ganduup-Gespenst konnte ein Haus zum Einstürzen bringen, ohne einen Finger zu rühren, nicht mal einen Geisterfinger. Elsa hatte das schon gesehen, verstanden hatte sie es nicht. Es sprach nicht für den Charakter eines Ganduup-Gespenstes, dass es tat, was es konnte, nämlich Häuser zum Einstürzen bringen und dergleichen mehr, gewissenlos und nahezu gleichgültig den Opfern gegenüber. Es konnte nicht gut ausgehen, wenn ein Mensch aus Fleisch und Blut seine Seele solchen Geschöpfen überantwortete. Elsa wollte es trotzdem tun und die Ganduup wussten das. Daher sagten sie nichts und taten auch nichts weiter als Elsa zu begleiten, als diese vorüberging. Mit einem Gespenst zu ihrer Linken und einem Gespenst zu ihrer Rechten durchquerte sie ein weites, geordnetes und erstaunlich stilles Kriegslager mit Tausenden von Zelten, in denen Soldaten schliefen und vor denen andere wachten und wo der Regen auf Planen prasselte und in den Pfützen spritzte. Die Soldaten sprachen nicht. Sie nahmen Elsa und ihre Begleiter wohl zur Kenntnis, doch kümmerten sie sich nicht darum. Es war nicht wie früher in den Kriegslagern, die Gaiuper errichtet hatte. Damals waren die Rabenkrieger wild und angriffslustig gewesen, sie wollten erobern, zerstören, gewinnen und ein Ziel erreichen. Diese Männer und Frauen hier, die im Licht von Laternen ihre Waffen putzten, die Maschinen richteten oder ihre Uniformen flickten, hatten kein Ziel. Sie waren Söldner, die keinem Handel oder Vertrag zugestimmt hatten, sondern von den Ganduup in die Irre geführt worden waren. Sie wussten nichts von ihrem Unglück und sie wussten nichts von ihrem Lohn, den es nicht gab. Sie alle glaubten bestimmt an eine Geschichte oder einen Grund, warum sie hier waren. Doch der einzige Grund, warum sie hier waren, der ging gerade durch ihre Reihen, und sie merkten es nicht.
    Elsa war nass bis auf die Haut, als sie das Tor in der Ebene erreichten, das unbeschädigt geblieben war. Elsa hatte es noch nie benutzt, nur davon gehört. Es befand sich im Inneren eines ehemaligen Wachturms, von dem nur noch der Rumpf existierte. Man konnte diese Ruine bei gutem Wetter von der Mittelstadt aus sehen. Dann lag sie wie ein großer, viereckiger Gesteinsbrocken auf der grünen Wiese, noch hinter dem Matrosenviertel. So war es gewesen, jetzt würde es anders aussehen. Die Wiese war Morast in dieser Nacht und die Ruine war umstellt von mindestens zwanzig Ganduup-Gespenstern. Es war nicht das Tor, das sie bewachten, sondern die Person, die im Eingang stand. Sie war klein, kleiner als die meisten Menschen, obwohl sie ein ganzes Stück über dem Boden schwebte. Ihr Gesicht schien alterslos, man konnte es nicht lange ansehen, ohne das Gefühl zu haben, dass es sich veränderte und die Augen einen in Besitz nahmen. Immerhin war Holanda persönlich erschienen, um Elsa zu empfangen. Elsa versuchte, in Holanda das Mädchen zu erkennen, das sie einmal tief unten in den Kel lern der Ganduup-Festung kennen gelernt hatte. Doch das war schwierig. Ein Kind ist ein Kind. Nur ein Erwachsener konnte so viel Schaden anrichten, wie es Holanda

Weitere Kostenlose Bücher