Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
Predigten.“
„Ist er für das Verfahren?“
„Nein, ist er nicht. Er ist neutral, er würde sich nicht dafür oder dagegen einsetzen.“
„Wie sind die Hochwelten denn so?“
„Das soll ich dir jetzt in einem Satz erklären?“
„Was für Predigten hält dir Segerte?“
Er lachte.
„Du fühlst dich wohl ermutigt, mir tausend Fragen zu stellen?“
„Warum nicht? Du stellst mir ja auch viele Fragen. Immerhin befrage ich dich nicht zu deinem Bergwerk-Abenteuer, denn das macht dich wütend, hast du gesagt.“
„Ja, das ist klug von dir.“
„Was für ein Bergwerk war es?“
Er blieb stehen.
„Wähle deine Fragen sorgfältig aus. Wir sind gleich da.“
Sie wollte nicht gleich da sein. Überhaupt nicht.
„In dem Bergwerk“, erklärte er, „wurde Lichterz abgebaut. So ein Stein, wie ich dir einmal gegeben habe. Das Gute daran war, dass es hell wurde, wenn ich den Boden oder die Wände berührt habe. Nicht sehr hell, aber wenn es stockdunkel ist, macht ein bisschen Licht viel aus.“
„Ich habe den Stein nicht mehr“, gestand sie. „Er liegt in meinem Zimmer in Istland.“
„Hättest du ihn gerne?“
„Ja, sehr gerne.“
Er fuhr mit der Hand in seine Hosentasche und holte einen Stein hervor, der Elsas Stein sehr ähnlich war, nur dass er ein bisschen flacher und länger war. Er leuchtete wie ein Stückchen Mond in einer warmen Sommernacht. Sie nahm ihn in Empfang und steckte ihn in ihr Kleid.
„Danke.“
„Sonst gehst du noch zurück und holst dir deinen eigenen“, sagte er. „Das darfst du nicht, hörst du?“
„Immer diese Ermahnungen.“ Sie ergriff wieder seine Hand, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. „Das hast du von deinem Uropa Segerte.“
„Da ist was dran“, sagte er, als sie weitergingen. „Er sagt mir auch immer, was ich darf und was nicht.“
„Gehorchst du?“
„Noch einmal um die Ecke und wir sind da. Erwähne Niko nicht, das halte ich für besser. Und für den Fall, dass du dich tatsächlich ungern von mir verabschiedest, lass es dir bitte nicht anmerken.“
„Warum?“
„Sonst denkt Leimsel noch, mein Verhalten hätte keine politischen Gründe.“
„Die es aber hat.“
„Die sind auf jeden Fall vorrangig.“
Er ließ ihre Hand los und strich mit seinem Handrücken noch einmal über ihre Wange. Sie spürte die Rückseite seiner Finger auf ihrer Haut, so angenehm fremd und kitzelnd. Es war nur eine freundliche Abschiedsgeste, aber nicht dazu gemacht, Elsa zu ernüchtern. Nachdem er um die Ecke gegangen war, folgte sie ihm Schritt für Schritt. Die Pflastersteine unter ihren Füßen fühlten sich watteweich an, als hätte sie im Mondscheintheater zu viel gewürzten Wein in sich hineingekippt. Das ließ sie an Tore denken und sie fragte sich, ob sie von Anbar genauso schnell geheilt werden könnte wie von Tore, wenn er ebenso schlecht küsste.
„Geht’s noch langsamer?“, rief er ihr zu. Er stand schon in der geöffneten Haustür eines schmucken, schmalen Hauses mit gelben Fensterläden.
Sie ließ sich nicht beirren und setzte ihren Watteweg im gleichen Tempo zurück wie bisher. Mit dem Erfolg, dass er schon zwei Treppen über ihr war und an eine Wohnungstür klopfte, als sie das Haus betrat.
„Anbar!“, rief eine Frauenstimme. „Wo hast du gesteckt? Er ist zu den Relings gegangen, weil er dachte, du hättest eure Verabredung vergessen. Willst du hier auf ihn warten?“
Als Elsa den letzten Treppenabsatz erklommen hatte und die Frau im Licht stehen sah, wunderte sie sich. Leimsels Frau sah noch jünger aus als beim letzten Mal, sie alterte scheinbar rückwärts. Diesmal waren ihre dunklen Haare zu hübschen Locken gedreht, die ihr auf die Schultern herabfielen. Sie trug ein wunderschönes knallrotes Kleid.
„Kennt ihr euch?“, fragte Anbar. „Elsa, das ist Madelene, Leimsels Frau.“
Elsa nickte zur Begrüßung. Ihr Erscheinen löste bei Madelene Bestürzung aus. Der hübschen Frau blieb der Mund offen stehen und sie schluckte hörbar, bevor sie sich zu einer Begrüßung durchringen konnte.
„Ich glaube, wir haben uns noch nicht gesehen“, sagte sie und streckte Elsa die Hand hin. „Du siehst Ulissa unglaublich ähnlich!“
„Nur auf den ersten Blick“, sagte Anbar sofort.
„Ich habe dich schon gesehen“, erklärte Elsa, als sie Madelenes Hand schüttelte, „im Roten Hahn.“
„War das in der Nacht, in der …“
Sie brach peinlich berührt ab und ließ Elsas Hand los.
„Kommt herein. Kann ich euch etwas
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