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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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dass sie in ihrer Essenz aus purem Nichts bestanden.
    Während Elsa durch den Garten ging, folgten ihr viele tausend Wesen, die im Zwischenraum fast unsichtbar waren. Die Ganduup glichen schwachen weißen Lichtern, die hinter Elsa herwehten wie harmlose kleine Pusteblumen-Samen. Doch waren sie keinem Wind ausgeliefert, sondern fester Bestandteil von Elsas Weg, unlösbar mit ihr verbunden. Muster aus Steinen, wilde Beerengärten, kahle Winterbäume und dann wieder mit schweren Blüten beladene Büsche, die nicht dufteten, all das begegnete Elsa auf ihrem Weg. Schließlich trat si e durch einen Heckenbogen und ko nnte über den Garten hinaus in weite Ferne schauen. Dort erhoben sich weiße Berge, von denen Elsa nicht zu sagen wusste, ob es Sandhügel, Schneegipfel oder kahle Felsen im Mondlicht waren. Sie leuchteten jedenfalls, kalt und schön. Elsa folgte dem weißen Kiesweg, der nun durch eine baumlose Ebene führte. Sie entdeckte Kakteen und bizarres Gestrüpp ohne Blätter, das den Boden überzog. Es ähnelte mehr einer Schrift oder einer Struktur als echten Pflanzen. Elsas Blick verweilte in den Mustern, während sie voranging, dann plötzlich wurde sie abgelenkt. Ein grelles blaues Licht flackerte kurz auf, nicht auszumachen, ob es sich in den weißen Bergen befand oder viel näher war. Es verschwand und flammte nach einer einiger Zeit wieder auf. Elsa fühlte sich an die blauen Lampen von istländischen Krankenwagen erinnert, die, wenn sie des Nachts durch Kristjanstadts Straßen gefahren waren, flimmernde blaue Lichter an die Hauswände geworfen hatten, flüchtig, eilig und alarmierend. Elsa verließ ihren Weg und wanderte querfeldein auf das blaue Licht zu.
    Bald spürte sie die Sogkraft des letzten Tors. Dort, wo seine zerstörerischen Kräfte walteten, vermischte sich der Zwischenraum mit der Wirklichkeit und Feuersands Stürmen. Sie hatte diese seltsame Landschaft schon einmal durchquert, gefangen in Gaiupers Kopf. Sie wusste, dass sie über haarfeine Zwischenraumwege balancieren konnte, ohne abzustürzen, und in ihrer geisterhaften Form geschützt war vor dem Gift und den herumfliegenden Steinmassen der echten Erde. Doch ihr Spielraum war im Gegensatz zu damals sehr klein. Rund um das Tor gab es die tödlichen Ganduup-Barrieren, die von Möwen und Hochwelten ersonnen worden waren: Felder und Fallen aus Strahlungen, die den Zusammenhalt eines Geistes beschädigen oder gar zersprengen konnten, wenn der Geist an der richtigen Stelle getroffen wurde. Nur ein schmaler, strahlungsfreier Kanal führte mitten hinein in das Unheil, das Feuersands Mitte längst zerrissen hatte und sich immer weiter hineinfraß in dieses Universum. So sah sich Elsa der Aufgabe gegenüber, mitsamt ihren Ganduup einen instabilen Tunnel zu durchqueren, der halb aus kaputtem Zwischenraum, halb aus Hölleninferno bestand, mit dem wenig verlockenden Ziel, ein allumfassendes, zerstörerisches Nichts zu erreichen und darin unterzugehen. Das war so verrückt, dass Elsa versucht war, sich umzudrehen und zur Ganduup-Festung zurückzurennen, um das alles noch mal zu durchdenken. Leider war es zu spät dazu. Sie wusste, es gab nur noch eine sinnvolle Richtung für sie, und zwar kopfüber in die Gefahr, konzentriert bis in ihre Gespenster-Haarspitzen.
    Nicht mal mehr Angst konnte sie haben, als sie sich in den von Legard freigegebenen Kanal begab, denn jegliche Kapazität, die ihr zum Denken, Tasten, Wahrnehmen und Bewegen zur Verfügung stand, war bis ins Äußerste beansprucht. Ihr Vorwärtskommen fühlte sich an, als ob sie sich durchs feinste, farbige Lichtgeäst drängte, in aufgelöster, leuchtender Form. In Wirklichkeit unterlief ihre Geistergestalt Veränderungsprozesse, die jeden anderen Ganduup bis zur Unkenntlichkeit und Bewusstlosigkeit entstellt hätten. Doch unter dem Druck dieser physikalischen und zwischenräumlichen Belastungen entdeckte Elsa, dass sie sich immer noch verwandeln konnte. Ihr Geist konnte sich verwandeln in etwas mit dem Verstand nicht Fassbares. Die Ganduup-Seelen aber flossen unbeschadet durch ihre merkwürdig veränderte Gestalt hindurch, so wie der Strom durch das Kabel einer istländischen Nachttischlampe. Sie flossen und flogen hindurch und landeten auf einer ganz anderen Seite, lichtlos leuchtend. Sie verströmten sich, sie wurden alles und nichts, freudig und frei. Elsa, die nicht mehr Elsa war, bemerkte es, als sie mit den Ganduup an den ortlosen Ort in die zeitlose Zeit eintrat. In ihrer formlosen

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