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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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dazu bestimmt, ein Zeitalter nach dem anderen zu durchleben, bis sie eines Tages wieder versinken würden. Unwiederbringlich war jede Stunde, die in einer Welt zerrann, es sei denn, es fiele dem großen Nichts ein, irgendwann, wenn alles vorbei und vergessen war, genau denselben Traum noch einmal von vorne zu träumen.
    So begrenzt das irdische Leben war, so war es doch in seinem Inneren grenzenlos. Wenn Elsa in die Welten hineinschaute, so stellte sie fest, dass sie nirgendwo aufhörten. Sie verästelten sich in immer kleinere Kleinigkeiten und offenbarten ein feinstoffliches Muster nach dem anderen, wovon jedes einzelne, je weiter man in die Tiefe vordrang, zunehmend unfest und unsichtbar wurde. Erst flimmerten die Muster, leuchteten, wandelten sich stetig und dann, in ihrem Innersten, wurden sie blind und unbegreiflich, so wie das große Nichts, das ein Etwas war. So schien es, als sei der innerste Ort einer Welt zugleich auch der äußerste ortlose Ort, so als seien die Weiten des Nichts mit den verborgensten Winkeln der Seelen verbunden. Doch war dies ein Rätsel, das nur so lange existieren würde, wie es das irdische Leben gab, das sich selbst ein Geheimnis bleiben musste. Wenn alle Welten aufhörten, würde auch dieses Rätsel aufhören. Ja, es würde überhaupt keine Rätsel mehr geben, wenn es keine Welten mehr gab, denn was der ortlose Ort in der zeitlosen Zeit sich selbst erzählte, wurde immer und überall verstanden.
    In Elsas gegenwärtigem Zustand gab es kein richtig oder falsch, kein Wollen oder Wirken in dem Sinne, dass sie etwas haben oder etwas vermeiden wollte. Was sie nun tat, tat sie aus einer verspielten, neugierigen Daseinsbegeisterung heraus: Sie versetzte der kaputten Welt eine Art Schubser. Es war nur ein sanfter Impuls, der das verunglückte Stück Erde an seinen richtigen Platz, in sein eigenes Lied zurückversetzen sollte. Auf den Schubser hin eierte die Welt ein bisschen, nicht schlimm, doch so, dass Elsa es sorgenvoll betrachtete. Dann aber pendelte, ja kullerte die Welt geradezu an einen Ort, der ihr ein ganz anderes Gewicht verlieh. Von Gewicht oder Orten zu sprechen, war natürlich unangemessen. Es gab nur keine Wörter für die richtige Position, den richtigen Zustand einer Welt und so kamen Elsa diese Vorstellungen in den Sinn. Jedenfalls sah es so aus, als sei die kaputte Welt plötzlich viel schwerer geworden. Schwerer im Vergleich zu allen anderen Welten. Es zeigte sich, dass diese kaputte Welt eine besondere Stellung hatte im Weltenzusammenhang. Und nun, da ihre natürliche Schwere oder Bedeutung wieder hergestellt war, zog sie all die versprengten Teile ihrer selbst an Ort und Stelle zurück. Die Steine, die Sandkörner, die Erdenkrümel, die verloren um das letzte Tor gestürmt waren, wanderten ebenso zurück wie das spukende Stück Erde von der anderen Seite des Universums. Sie alle fügten sich lückenlos ein und ebenso lückenlos schloss sich nach und nach das letzte Tor. Es hörte auf und verschwand. Mit ihm verschwand auch der falsche Klang, der wie ein Graben die Vielheit der Welten durchbrochen und sie in zwei Hälften geteilt hatte. Jetzt gehörten alle Welten wieder einer einzigen Geschichte an, ihre Lieder waren geeint in einem wohlklingenden Geheimnis, das lebte, solange es unverstanden blieb.
    Elsa hätte sich sehr daran erfreuen können, hätte sie nicht gleichzeitig einen so großen Schaden angerichtet, dass sie mit ihrem ganzes Sein in die weltlichen Kleinigkeiten hineinstürzen musste, um das Schlimmste zu verhindern. Denn was sich von außen betrachtet so sanft und richtig vollzog, glich auf der Erdoberfläche einem Weltuntergang. Dort, wo sich das letzte Tor schloss, riss die Erde auf, und was unten war, flog nach oben. Von oben aber senkte sich etwas herab, das die Größe eines ganzen Landes hatte. Die Erde bebte und krachte, als wolle sie ganz und gar zerspringen. Elsa sah die Menschen fliehen und fallen, da sie sich nicht auf den Beinen halten konnten. Sie waren den Erdgewalten ausgeliefert und hatten keine Chance zu entkommen. Die Erdmassen würden sie zerquetschen, zermalmen, erschlagen und verschlucken.
    Elsa tat, was sie tun konnte. Und sie konnte sehr viel tun. Sie war überall zur gleichen Zeit, sie war in den Steinen, die fielen, und in den Felsen, die zersprengt wurden, und in der Erde, auf die etwas niederdonnerte, und in der Luft dazwischen. Sie steckte in den Kräften, die da wirkten, und tat ihr Bestes, um sie aufzuhalten. So geschah alles

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