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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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ihm. Er sah Furcht erregend aus, denn er war verschmiert von Blut und Schweiß und Erde, von oben bis unten. Doch er schien unverletzt zu sein, von einigen Schrammen und Platzwunden abgesehen.
    „Was ist passiert, König Nada? Wisst Ihr es?“
    „Nein“, sagte Nada. „Aber die Luft ist besser, als sie es mal war.“
    „Die Luft?“
    „Ja“, erwiderte Nada. „Hier in Trotz roch es immer ein bisschen komisch. Wegen der Dämpfe in Feuersand. Aber jetzt riecht es gut. Auch wenn es staubig ist. Sag mal, sehe ich auch so aus wie du?“
    „Wie sehe ich aus? Wie ein braunes Ungeheuer?“
    „Ja, genau.“
    „Dann gleichen wir uns.“
    Nada lachte wieder.
    „Setz dich ruhig“, sc hlug er dem Antolianer vor. „So lange wir nichts sehen oder niemanden um Hilfe rufen hören, können wir nicht viel tun.“
    Der Antolianer ließ sich auf den Boden fallen.
    „Was macht Euch so gut gelaunt, König Nada?“
    „Hm“, brummte der König, „es ist doch ein angenehmer Morgen, nicht wahr?“
    „Er ist reichlich trübe.“
    „Ich dachte, diese Nacht erschlägt mich“, sagte Nada. „Stattdessen hat sie meine schlechten Träume erschlagen. Nenne diesen Morgen trüb, wenn du willst. Ich nenne ihn glücklich!“
     
    NIKODEMIA saß auf den Stufen einer Treppe, die nirgendwohin führte. Es entsprach seiner Verwirrung, dass der Zwischenraum unvollständige Treppen, Häuser und Straßen fabrizierte. Es war, als hätte Nikodemia eine zwischenräumliche Gleichgewichtsstörung. Morawena hielt sich an seinem Arm fest, nur für den Fall, dass sich die kaputte Stadt in einen sinkenden Frachter oder eine flüssige Wiese verwandelte, wie schon geschehen. Doch diese kaputte Stadt war stabiler als die Schauplätze zuvor, deswegen schöpfte Nikodemia Hoffnung, dass er den Zwischenraum bald wieder im Griff hätte. Er musste sich nur ganz neu darauf einstellen.
    „Wie hübsch!“, rief Morawena. „Schau sie dir an!“
    Nikodemia hatte keine Zeit zum Schauen. Das dachte er, doch dann sah er sie auch: Salamander, die in den unwahrscheinlichsten Farben leuchteten. Ölig violett, verschwimmend ins grell Türkise, hier ein Bauch in Grün und Orange, glänzend wie lackiert, dort eine kohleschwarzer Kopf, glitzernd. Biegsam wie Gummi waren sie, flink wie Lichtblitze und dann plötzlich verharrten sie still. So blieb einer auf der Stufe vor ihnen sitzen, glubschäugig, abwartend. Sein Hals machte in regelmäßigen Abständen Schluckbewegungen. Dann huschte er weg.
    Der Zwischenraum spielte also. Das hatte er schon lange nicht mehr getan. Es war ein gutes Zeichen, das Nikodemia Mut machte. Noch einmal ging ein Rutsch durch die Dinge und aus der kaputten Stadt wurde ein Acker. Ein matschiger, regennasser Acker zwar, doch der Himmel über ihnen war blau und soweit es Nikodemia beurteilen konnte, war der Acker verlässlich. Er würde nicht plötzlich nach links oder rechts kippen oder nach unten nachgeben. Nikodemia atmete tief durch.
    „Schon besser“, sagte er.
    Daraufhin ließ Morawena seinen Arm los. Sie war keine, die sich gerne festhielt. Jedenfalls nicht bei Nikodemia. Bei anderen Männern machte sie das schon, aber da gaukelte sie nur Unsicherheit vor. Morawenas Maschen waren Nikodemia mittlerweile sehr vertraut.
    „Und?“, fragte sie.
    „Er ist tatsächlich größer als vorher“, antwortete er.
    „Wie kann das sein? Wie wächst der Zwischenraum?“
    „Er ist abhängig von den Welten, die er umgibt. Es kommt mir vor, als ob es mehr Welten sind als vorher. Sehr viel mehr.“
    „Doppelt so viele?“
    „Vielleicht.“
    „Dann ist alles anders“, sagte sie.
    „Ja, sieht so aus.“
    „Ich werde es versuchen. Was ist mit dir?“
    Ja, was war mit Nikodemia? Er wusste es nicht. Es war ein alter Zwiespalt: ahnungslos bleiben oder das Leben riskieren, um Licht ins Dunkel zu bringen. Wie Morawena hielt auch Nikodemia die Ungewissheit nur schwer aus. Immer wieder hatten sie darüber gesprochen, wie es wäre, nach Sommerhalt zurückzukehren, nur kurz, um herauszufinden, was aus Elsa geworden war und wie der Krieg sich entwickelte. Dass er sich nicht gut entwickelte, bekamen sie überall zu spüren. Immer schwieriger wurde es, sich Kämpfen, Katastrophen und Krankheiten zu entziehen, dazu immer auf der Hut zu bleiben vor Fallen und Angriffen der Rabenjäger. Schließlich, vor zwei Monaten, war es so schlimm geworden, dass ihnen fast täglich der Boden unter den Füßen verbrannte. Größtenteils verbrachten sie die Zeit in einem gemeinen,

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