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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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„Das tun nur die Mädchen vom Land. Du bist meine jüngere Schwester und die Tochter eines angesehenen Opernsängers, also benimm dich auch danach.“
    „Seiner Fruchtbarkeit hat der Erbfehler wohl nicht geschadet.“
    „Das ist oft so“, sagte Morawena. „Viele Leute wachsen angesichts einer Begrenzung über sich hinaus.“
    Aus Nikodemia machten die feinen Klamotten einen ganz anderen Menschen. Er sah zehn Jahre älter aus, ließ sich einen vornehm gestutzten Kinnbart wachsen und wirkte wie ein Gauner von Welt. Nachdem er die erste Woche mit Essen und Schlafen verbracht hatte, trieb er sich ab der zweiten Woche nur noch auf den Straßen, in den Salons und Cafes herum, schweigend und beobachtend, bis er eine Schmugglerbande ausfindig gemacht hatte, die Rauschmittel über die Berge ins angrenzende Reich beförderte. Nachdem er die Drahtzieher ausfindig gemacht hatte, bot er an, sich geschäftlich zu beteiligen, was gerne angenommen wurde. Elsa fand das weniger gut.
    „Sie werden dich ins Gefängnis stecken, wenn es herauskommt!“
    „Na und? Eine Kellerassel findet immer nach draußen.“
    „Du erzählst uns jeden Tag, dass wir auf keinen Fall fliegen dürfen, aber nimmst dir selbst heraus, als Ungeziefer die Mücke zu machen? Dann müssen wir wegrennen, nur weil du es versaut hast.“
    „Das ist doch lächerlich. Ich bin noch nie bei irgendwas erwischt worden, also reg dich ab.“
    „Ich finde das nur verständlich“, sagte Morawena. „Du weißt, er hat Defizite, und Männer mit Defiziten müssen viel Geld machen, um sich gut zu fühlen.“
    „Wart’s nur ab“, drohte Nikodemia, „was du kannst, kann ich schon lange.“
    Die Wirtin sah Morawena am nächsten Tag mit großen Augen an. Was auch immer Morawena unternahm, um der Wirtin das Geheimnis ihrer selbst zu entlocken, es gelang ihr nicht. Nikodemia hatte ganz Arbeit geleistet und nicht mal Elsa wollte er verraten, was die Wirtin jetzt über Morawena dachte. Jede Sünde hätte Morawena sich begeistert anhängen lassen, aber dieser mitleidige Blick, der ihr von nun an zuteil wurde, der ärgerte sie doch sehr. Sie wollte nicht kleinlich sein, indem sie sich an Nikodemia rächte, doch von Nikodemias hübschem Freund, der mehr als ein Freund gewesen war, musste sie der Wirtin dann doch noch erzählen.
    Morawena verkehrte innerhalb von drei Wochen in den besten Kreisen der Stadt und Elsa als die jüngere Schwester ebenfalls. Das Leben war abwechslungsreich und verging mit Einkäufen, Teegesellschaften, Besuchen im botanischen Garten, Einladungen, Konzertbesuchen und Gesangsabenden. Es war ein Spiel, ein großes Theaterspiel, aus dem sich Elsa tageweise verabschiedete, um alleine in den Bergen herumzuwandern oder sich irgendwo in eine Markthalle zu setzen und den Tauben bei der Jagd auf Krümel zuzusehen. Dieses Leben in Fonorr war nicht Elsas eigentliches Leben, das wusste sie. Auch Nikodemia und Morawena, das glaubte sie, überbrückten mit ihren Vergnügungen die Zeit. Keiner von ihnen wusste, ob die Brücke jemals an ein anderes Ufer reichen würde, das neben der Fröhlichkeit auch Sinn zu bieten hatte. Das, was ihnen eigentlich wichtig war, hatten sie zurückgelassen. Und das, was vielleicht einmal wichtig werden könnte, hatten sie noch nicht gefunden. Die Zeit würde es zeigen, ob sie Wurzeln schlagen könnten, hier oder an einem anderen Ort. Das war ein Gedanke, den Elsa oft hatte, wenn sie sich die widerstandsfähigen Nadelbäume unterhalb der Baumgrenze ansah, vom Wind zerzaust, aber feste in der Erde steckend, wo sie hingehörten. Wäre Elsa wirklich eines Tages in dieser Welt zu Hause, so wären es nicht die festlich geschmückten Räume der Pinets oder der Sovulats, die sie im Herzen mit sich herumtragen würde, sondern die Bäume hier oben und der kalte Wind, der in der Nähe der Gletscher auch im Sommer nach Schnee duftete.
    Ihre Reisegefährten waren Elsa schon sehr vertraut. Als würde sie die beiden seit vielen Jahren kennen. Es war immer wieder lustig und nervenaufreibend mit ihnen. Morawena konnte aus Kleinigkeiten ein Riesenthema machen und Nikodemia hatte keine Probleme, die halbe Pension zusammenzubrüllen, wenn ihm etwas nicht passte. Sie bewohnten zu dritt zwei kleine Zimmer und das gab Anlass für mindestens einen Streit täglich. Oft ging es darum, ob sie sich eine andere Unterkunft suchen sollten oder nicht. Morawena und Elsa waren längst eingeladen worden, den Sommer bei den Pinets zu verbringen – vorausgesetzt ihr werter

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