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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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verwarf den Gedanken aber im selben Moment, da Julius zwar allgegenwärtig, aber absolut unfähig war, Gegenstände zu berühren oder gar zu bewegen.
    Dann griff er kurz entschlossen nach der altmodischen Türklinke und musste feststellen, dass Julius wieder einmal recht hatte.
    »Mist!«, fluchte er, diesmal schon ein paar Phon lauter. »Scheint so, als hätten wir sie schon wieder verloren.« Er begann, um das Gebäude herumzugehen. Auf der Längsseite des Schuppens stolperte er erneut. Diesmal fiel er auf eine kleine Ansammlung von Blechnäpfen und Tellern, die scheppernd durcheinandergewirbelt wurden. Ein kniehoher Maschendrahtzaun hatte ihn zu Fall gebracht. Er erkannte im Dunkeln ein Hühnergehege und den unvermeidlichen Hühnerstall. Er rappelte sich auf und ging vorsichtig weiter. Auf der Rückseite der Hütte gab es einen kleinen Verschlag, der aber zweifellos zu klein war, um einem Hund samt dazugehörender Entführerin Unterschlupf zu bieten. Trotzdem öffnete Herbie die morsche Holztüre. Im Inneren befand sich eine Ansammlung verschiedener Gerätschaften zum Bearbeiten von Feld und Boden, soweit das Licht des Neumondes ihm Aufschluss darüber gewährte. Und da war da noch in entsprechender Sitzhöhe ein in einer hölzernen Platte eingelassenes Loch, das mit einem kreisrunden Holzdeckel versehen war. Hier hatte der alte Raben-Päul gesessen und seine Notdurft verrichtet und versonnen seine Rechen und Äxte betrachtet.
    Die Einsatzzentrale der Hundeschieberbande!
    Herbie versuchte, die Türe wieder zu verschließen, aber sie hing dermaßen schief in den Angeln, dass das Schloss nicht mehr richtig griff. Er ließ die Türe wie sie war und schlenderte weiter. Seine Motivation ließ deutlich nach, und er war verärgert darüber, dass es dieser hässlichen Gestalt offensichtlich erneut gelungen war, ihn abzuhängen, obwohl sie dies ohne Absicht getan hatte. Oder war es doch eine bewusste Irreführung?
    Dann entdeckte er die zweite Türe.
    Sie besaß keinerlei Klinke, und als er seine Finger in den Spalt zwischen Türblatt und Futter steckte und zu öffnen versuchte, spürte er Widerstand. Er zog stärker, und die Türe ließ sich öffnen. Der Widerstand ließ nicht nach, und er bemerkte, dass eine Art klobiges Gummiband die Türe verschlossen hielt. Die Konstruktion wirkte als eine Art hydraulischer Türverschließer. An der Innenseite des Türblattes erkannte er einen Riegel, und er grübelte darüber nach, warum dieser hintere Eingang wohl unverschlossen war. Dann trat er ein. Seine ausgeprägte Neugier hatte ihn im Verlaufe der Jahre oft genug in delikate Situationen gebracht. Herbie liebte es, hinter verbotene Türen zu schauen, in fremden Angelegenheiten zu schnüffeln, sich in anderer Leute Leben hineinzuschmuggeln. Und jetzt eben in den Tod eines anderen Menschen. Nun war er mittendrin im abgeschlossenen Leben des Paul ... wie hieß er eigentlich?
    Zuerst erkannte er nur Umrisse. Das spärlich hereinfallende Mondlicht tauchte die Gegenstände in kreidiges Grau.
    Er stand unmittelbar vor einem schmalen, hohen Holzschrank, der verschlossen war. Herbie ruckte an dem kleinen metallenen Türgriff, aber nichts tat sich. Im Schloss fehlte der Schlüssel.
    Es gab einen Ofen. Einen kleinen, emaillierten, in dem man alles verbrennen konnte. Um ihn herum fanden sich Holzscheite, Töpfe und Stapel alten Zeitungspapiers. Die Wand um den Ofen herum war mit Regalen zugebaut. Aus der Dunkelheit zwischen den Regalböden quollen Unmengen von Gegenständen. Textilien, Kisten, Gerätschaften ... Er konnte kaum etwas erkennen. Auch eine kleine Doppelkochplatte war dort deponiert. Sie wurde von diversen Büchsen und Suppentüten flankiert. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein Bett, daneben ein Nachttischchen, auf dem ebenfalls allerhand Dinge aufgetürmt waren. Es waren Bücher darunter, so viel war ersichtlich. Der Rest des Mobiliars bestand aus einem kleinen Tisch mit quadratischer Platte und einem Stuhl. Platz für einen Menschen, der es gewohnt war, allein zu essen.
    »Das gibt’s doch gar nicht. Hier soll einer ganz allein gelebt haben?«, flüsterte Herbie staunend in die Dunkelheit.
    Julius inspizierte neugierig eine Ecke, aus der ein alarmiertes Gepiepse der Untermieter dieser Wohneinheit kam.   Nicht ganz allein. Wer mit der Natur im Einklang lebt, ist niemals ganz allein .
    »Liest du heimlich Hermann Löns?«
    Auf dem Nachttisch hatte Herbie ein Feuerzeug ertastet. Der Kerzenhalter, den er ebenfalls dort

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