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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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Motor läuft.«
    »Dann machen Sie doch den Motor in Gottes Namen aus! Die Hotelgäste werden ja schon aufmerksam.« In der Tat waren einige der Gäste bereits von innen an die Glasfront getreten und beobachteten das Schauspiel interessiert. Frau Schütze-Appelbach begann sogar, rhythmisch mit den Hüften zu wippen.
    Köbes krabbelte wieder in den Wagen, und mit einem Mal erstarben Motorengeräusch und Filmmusik. Die Dame von der Rezeption sank ermattet an die Kühlerhaube. »Ich wollte ja nur gerade mal gucken, ob ich das wieder irgendwie gedeichselt kriege. Sie müssen wissen, ich habe nämlich ein Händchen für Autos.«
    »Soso!« Sie musterte ihn eiskalt. »Womit kann ich Ihnen denn helfen? Sie suchen doch sicher irgendjemanden. Oder haben Sie sich vielleicht verfahren?«
    Köbes stellte den Fuß auf die Stoßstange, die bedenklich wackelte, kratzte sich am verlängerten Rückgrat und sagte: »Hm. Bin hier verabredet. Ein alter Freund von mir pennt bei euch im Hotel. Ich soll ihm sein neues Auto bringen.« Er klopfte auf die Kühlerhaube.
    Pikiert beobachtete die Frau im Hosenanzug, dass er nun begann, sich ausgiebig in der Lendengegend zu kratzen, und meinte: »Da liegt sicherlich ein Irrtum vor. Ich glaube kaum ...«
    »Da kommt er ja!« Er begann, wild die Straße hinunterzuwinken. »Herbie, alter Penner, ich hab auf dich gewartet!« Freudestrahlend sprang er dem überraschten Herbie entgegen.
    Da bekommt das Wort ›Heimsuchung‹ doch sofort eine ganz andere Dimension, nicht wahr?
    Die Hotelangestellte sah den herannahenden Herbie verstört an. »Herr Lohse?«
    »Lohse?« Nun war es an Köbes, dumm aus der Wäsche zu gucken. Mit einem versteckten Fußtritt brachte Herbie ihn dazu, den Mund, den er geöffnet hatte, um das Namenschaos komplett zu machen, rasch wieder zu schließen.
    »Ein Jugendfreund. Jakob Nießen.« Er lächelte verlegen und fummelte an seinem Kragen herum. »Herbie ... eigentlich ganz falscher Name ... Aber im Kindergarten, da ... und da war dann immer dieser Käfer im Fernsehen und Ha Be von Hans-Bert ... Sie verstehen?«
    Sie nickte verunsichert und trat den Rückzug an. Auch die restlichen Zuschauer verloren umgehend das Interesse und wurden erst wieder an die Scheibe gelockt, als Köbes das Fahrzeug startete und ein neuerlicher Schwall von Pauken und Trompeten an die Grundfesten des Hauses brandete.
    »Bist du wahnsinnig?«, rief Herbie auf dem Beifahrersitz. »Mach sofort den Lärm aus!«
    Köbes war beleidigt. »Erstens ist das kein Lärm! Jerry Goldsmith hat nen Oscar für den Soundtrack gekriegt. Und zweitens ...« Er erklärte mit wenigen Worten, welchem technischen Defekt sie es zu verdanken hatten, dass sie die Fahrt nunmehr vor der Klangkulisse säbelrasselnder und brandschatzender Berberstämme fortsetzen durften.
    »Das ist mein Auto?«, rief Herbie zum Fahrersitz. Die Anstrengung in seiner Stimme überdeckte die geballte Enttäuschung über das quietschende Vehikel, das sein Freund ihm andrehen wollte.
    »Geil, was? Ein eigenes Auto! Deine Tante hat mich angerufen und etwas Fahrbares für zweihundert Mark geordert.« Er lenkte munter den Berg hinab. »Hat noch drei Wochen TÜV!« Herbie betrachtete schweigend das lammfellüberzogene Lenkrad, das verstaubte Armaturenbrett, den fleckigen Kunstlederhimmel und das zertrümmerte Handschuhfach.
    Ich hasse diesen Kunststoffgeruch in neuen Autos . Julius schnupperte betont auffällig.   Hier hat er sich zum Glück schon ein wenig verflüchtigt .
    Neben dem Lenkrad baumelte eine Christophorusmedaille an einem letzten Rest Kleber. Meins, dachte Herbie, ein totaler Schrotthaufen, aber meins. Und mit einem Mal begann er, etwas für den rostigen Berg zusammengewürfelter Ersatzteile auf vier Rädern zu empfinden.
    Das ist Besitzerstolz. Die Gebrüder Schlumpf haben seinerzeit etwa fünfhundert Oldtimer zusammengesammelt. Spürst du das, was auch ihre Brust vor Stolz schwellen ließ?
    »Wo fahren wir eigentlich hin?« Sie hatten gerade die Nordfront des Hotels erreicht, als Fritz am Straßengraben auftauchte und heftig winkte. »Mein Gott«, rief Köbes, »ist die hässlich! Mit der Nase zu trampen, ist mehr als blauäugig!«
    »Halt an!«, rief Herbie durch eine klagende Melodie mit viel Sand- und Dattelpalmentimbre. »Das ist Fritz.«
    »Fritz?«
    »Ich kann mitfahren. Stefanie hat mit mir getauscht, und ich habe den Rest des Tages frei«, erklärte Fritz atemlos, als Herbie die Beifahrertüre geöffnet hatte. »Eigentlich ein echter

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