Rabenschwarz
Beschiss, weil ich doch schon übermorgen nicht mehr hier bin, aber ...« Sie sah Köbes fragend an, und Herbie, der ausgestiegen war und es nach mehrmaligem Hin- und Herruckeln zuwege gebracht hatte, den Sitz nach vorne zu klappen, um sie hineinzulassen, konnte sie beruhigen: »Köbes weiß noch nichts, aber das, was er nicht weiß, dürfte er getrost wissen.« Fritz schwenkte zwei Plastikbeutel und einen schlaffen Bettbezug. »Filetspitzen und ein Transportbehältnis für den folgsamen Hund und afrikanische Maisküchlein für die tapferen Fahrensleute. Schöne Grüße von Rufus.«
Wenige Minuten später bahnte sich der klappernde Kadett seinen Weg über einen holperigen Waldweg und durch ein Meer von Schlaglöchern zum Fischweiher. Herbie erläuterte Köbes die grobe Rahmenhandlung des Abenteuers, in das er verstrickt war, und achtete dabei darauf, dass er nicht zu viel und zu kompliziert erklärte, um auf der einen Seite seinen Freund nicht zu sehr zu strapazieren und um auf der anderen Seite nicht permanent gegen die musikalische Begleitung des Wüstenepos anbrüllen zu müssen.
»Kann man die Kassette eigentlich nicht einfach auswerfen?«, fragte Fritz vom Rücksitz aus. Köbes hatte den Rückspiegel verstellt, um nicht fortwährend von ihrem auffallenden Äußeren abgelenkt zu werden. »Klar doch. Geht. Das Problem ist nur: Ich kann doch nicht ganz ohne Musik fahren!«
Der Weg führte sie mitten in das immer dichter bewaldete Tal des Scheebenbachs hinein, und während sie so von einer Pfütze in die nächste donnerten, bemerkte keiner von ihnen das Auto Helmut Streckers, das ihnen in gemessenem Abstand folgte, umsichtig jedes Schlagloch umrundend, sachte um die Kurven rollend, damit eine plötzliche Begegnung ausgeschlossen blieb.
Strecker hielt das Steuer mit festem Griff umklammert und malmte mit den Zähnen. Das würde Stunden dauern, bis er seinen Peugeot wieder auf Hochglanz poliert haben würde. Aber er hatte das sichere Gefühl, dass hier etwas ablief, das Frau Hellbrecht brennend interessieren und ihren verblödeten Neffen endgültig ans Messer liefern würde. »Feldmann, ich komme«, raunte er bösartig in seinen grauen Bart. Seine Marschmusik hatte er ausgeschaltet, da sich die Bässe von Köbes’ Monumentalklängen ständig dazwischengemogelt hatten. »Und bald, schon sehr bald, habe ich dich!«
Es ging bergauf. Gerade hatte Pastor Rövenstrunck mit seinem kleinen, dreckigweißen Fiat Stadtkyll und Kronenburg passiert und steuerte auf der vierspurigen B51 geradewegs auf Dahlem zu. Es mochte zwanzig Jahre oder noch länger her sein, dass er diese Strecke zuletzt gefahren war. Auf einem Bergrücken linkerseits der Straße erkannte er unmittelbar am Waldrand seltsame Gebilde. Er fischte ein Antibeschlagtuch aus dem Handschuhfach und wischte hastig die beschlagene Scheibe frei. Dreckigbraune Ränder zeigten sich auf dem Tuch. Woher dieser Dreck wohl kommen mochte? Nachdenklich paffte er gräulichen Qualm aus dem Mundwinkel. Was sich dort oben auf dem Berg scharf gegen das Grau des Herbsthimmels abzeichnete, war eine abstruse Ansammlung großer hölzerner Silhouetten, aufgestellt in Reih und Glied. Der Hochsitz schien ihm authentisch. Ein Gipfelkreuz, das mochte ja noch angehen, aber ein Hase, dicht gefolgt von einem Jägersmann mit gezückter Flinte, ein Elefant oder was das sein mochte, und dann eine riesenhafte Giraffe ... eine Arche? Die Künstler, die das fabriziert hatten, hatten sich angestrengt. Trotzdem fand ihr Werk in seinen Augen keine Gnade.
»So ein Schrott«, schimpfte der Pastor und schaltete einen Gang zurück. Seine üble Laune hatte sich durch seinen Besuch in Prüm nicht verflüchtigt, wie er sich das eigentlich erhofft hatte, sondern höchstens noch gesteigert. Der lange Weg war im Grunde genommen umsonst gewesen. »Ein Schuss in den Ofen!«, resümierte er für sich, während er mit der Rechten ein paar Häufchen blassgrauer Zigarrenasche von seinen schwarz behosten Knien fegte. »Wäre ich blöder, alter Trottel doch zu Hause geblieben! Ich bin zu alt für diese langen Touren durch dieses verdammte Mittelgebirge! Nachher trifft mich irgendwo in einem dieser Käffer der Schlag, und ich werde auch noch hier begraben!« Seit Langem war ihm der Gedanke ein Greuel, in der Eifel beigesetzt zu werden. Er hatte sich schon lange vorgenommen, sich in Bälde wieder an den Ort seiner Kindheit, an den Niederrhein, versetzen zu lassen. »Nur weg von diesen Bekloppten!« Er verstaute
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