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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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wandte Brendler sich Felix erneut zu. »Sie gehen mir ein wenig auf die Nerven, wissen Sie das! Was tut das überhaupt zur Sache? Meine Tochter wird ermordet, Hanna verschwindet, und Sie fragen mich nach einem Mann, den ich seit mindestens zwanzig Jahren nicht gesehen habe.«
    »Na ja«, Felix lächelte ein wenig süffisant, »man könnte fast sagen, er ist Ihr … Schwiegersohn, also ich denke, er hat durchaus mit der Sache zu tun.«
    Brendler beruhigte sich, setzte sich wieder hin, dachte nach. »Ja«, sagte er müde, »so kann man das wohl tatsächlich sehen.«
    »Nun?«, fragte Felix.
    »Was würden Sie sagen, wenn eines Tages Ihre Tochter kommt und Ihnen mitteilt, dass sie Ihren besten Freund heiraten wird, der fünfundzwanzig Jahre älter ist als sie?«
    Felix zog die Augenbrauen hoch und sog tief die Luft ein. »Tja«, sagte er.
    »Eben«, sagte Brendler. »Und danach sind sie nicht mehr gekommen.«
    Herz nickte. »Gut«, sagte er, »ich denke, das reicht vorerst. Wir werden Erkundigungen einziehen. Vermisstenfälle sind ja üblicherweise nicht unser Revier. Aber es ist schon ein bisschen merkwürdig, würde ich meinen. Dieses Zusammenfallen der Ereignisse.«
    Er wandte sich an Franza. »Wir haben hier vorerst genug erfahren.«
    Sie gingen, öffneten die Haustür, plötzlich stand Lilli vor ihnen.
    Franza erkannte sie auf der Stelle. »Lilli«, sagte sie erschrocken, »Lilli!«
    Was für eine Überraschung! Die kleine Kleptomanin aus dem Einkaufszentrum war Gertruds Tochter.
    »Ja«, sagte Lilli, »ja«, und brach in Tränen aus. »Ich hab gehofft, dass du …, ich hab es wirklich gehofft!«
    »Schschsch«, machte Franza und zog Lilli in ihre Arme, »alles gut! Alles gut!«, und dachte, was für ein blöder Spruch das war.
    Frau Brendler kam zur Tür und zog Lilli an sich. »Komm, Kleines, komm zu mir! Lass uns hineingehen.«
    »Ja«, sagte Lilli und wischte sich die Tränen ab, aber sie flossen weiter. Ihre Großmutter zog sie ins Haus und schloss die Tür.
    »Was?«, fragte Herz.
    Franza winkte ab. »Nichts«, sagte sie, »nichts, wir kennen uns einfach, haben uns vor ein paar Tagen zufällig kennengelernt. Sie ist irgendwann mal mit Ben zur Schule gegangen.«
    Sie dachte eine Sekunde nach. »Und diese Hanna? Was hat es mit der auf sich?«
    Während sie zurück in die Stadt fuhren, erzählte er von diesem eigenartigen Zufall, der ihn ausgerechnet an jenem Nachmittag in Hansens Büro geführt hatte, als Hanna Umlaufs Ehemann kam, um von deren Verschwinden zu berichten.
    »Es gibt keine Zufälle«, sagte Franza und tippte Herz gut gelaunt auf die Schulter. »Das sagt schon der Name. Zufall. Etwas fällt dir zu .«
    Es kam in Schwung. Es prickelte schon.
    12 Die schwarzen Vögel auf den Feldern fliegen. Zum ersten Mal in diesem Jahr.
    Schatten im grauen Morgenlicht. Schreie.
    Jeden Morgen vergleiche ich die Bilder miteinander, die Bilder auf dem Schirm meines Laptops, die Bilder in meinem Gehirn. Bis ich endlich den Zug der Vögel im Kopf fühle, auch im Körper, aber mehr noch im Kopf, und ich spüre, wie ich mich auflöse, schwarz werde, Gefieder werde, mich erhebe hinauf in die Endlosweite des Himmels.
    Ich fotografiere wieder. Habe nun mein Thema. Die Krähen. Wenn sie ihre frühherbstlichen Flüge fliegen in schwarzen Schwärmen über meinen Kopf hinweg mit Gekreisch und Gelärm, fotografiere ich die Höhe, den Himmel in seiner Weite und mit den Krähen im Zentrum, wie sie ihre Kreise ziehen, Schwenke vollführen, Wendungen, rasche Kurven.
    Ich schaue ihnen nach mit all meiner Sehnsucht in Kopf und Adern und wenn ihre Schreie leiser werden und sich im Gelbgrau des morgendlichen Himmels auflösen, schließe ich die Augen, schicke mich ihnen hinterher, falle in die Vergangenheit.
    Die vielen Jahre, die wir uns nicht gesehen haben. Diese lange Zeit. Ich dort, sie hier. Waren Schwestern. So etwas Ähnliches. Aber in Wirklichkeit …
    Ich habe es nicht gewusst. Nie. Erst jetzt. Ich habe nicht gewusst, dass sie mich mindestens so gehasst hat wie geliebt. Ich habe nicht gewusst, dass sie so sehr unter mir zu leiden hatte.
    Schon vorher, vor Tonio, lange davor. Ich habe nicht gewusst, dass ich ihr Leben zerteilt habe in die Zeit vor mir und die Zeit mit mir, und sie mir das heimzahlen musste, als die Gelegenheit dafür gekommen war.
    Ich habe nicht gewusst, dass ich in Wirklichkeit nie ihre Schwester gewesen bin. Das Leben ist Zwang. Und selten fair. Aber wissen wir das nicht alle? Die Vögel, sie wenigstens

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