Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
Vom Netzwerk:
»Er wird es verkraften.«
    »Ja«, sagte Lilli, »vermutlich. Aber er hat ja immer noch eine Chance. Moritz.« Sie grinste.
    »Und dann?« Franza versuchte das Gespräch wieder auf Gertrud zu bringen.
    »Was dann?«
    »Wie ging es weiter mit euch?«
    Lilli dachte kurz nach. »Dann tauchte irgendwann Christian auf.« Sie stockte, dachte wieder nach. »Das war gut, dass er kam. Er mochte sie. Sehr. Sie ihn auch. Das tat ihr … gut. Sie hat es … gebraucht.«
    »Wie alt bist du denn da gewesen?«
    »Zwölf. Etwa zwölf.«
    Wow, dachte Franza, ein Kind noch und erkannte das so gut?
    »Sie haben geheiratet, mein Großvater schenkte uns das Haus.«
    »Großzügig!«
    Lilli lachte böse auf. »Großzügig??? Nein! Ich glaube nicht. Er brachte sie lediglich wieder ein Stück mehr unter seine Kontrolle.«
    »Oh«, sagte Franza erstaunt, »das klingt hart. Wie kommst du darauf?«
    Lilli zuckte die Schultern. »Weiß nicht. Ist so. Immer schon. Er hält die Fäden in der Hand und alle tanzen.«
    Sie dachte nach. Und relativierte. »Aber es ist ja nicht schlecht. Wenn jemand da ist. Der sich kümmert. Er ist halt ein bisschen … dominant.«
    »Gab es denn etwas, worum er sich kümmern musste?«
    »Gibt es das nicht immer?«
    Lilli seufzte und dachte daran, dass sie ihm immer noch nicht gesagt hatte, dass sie nicht weiterstudieren würde. Keine Nachfolgerin also.
    »Ich meine, etwas Spezielles. Etwas … nicht Alltägliches.«
    Lilli brauste auf. »Was soll das? Was willst du eigentlich? Willst du mich über meine Familie aushorchen?«
    »Entschuldige«, sagte Franza und hob besänftigend die Hände. »Beruhige dich! Ich will dich nicht aushorchen, wirklich nicht! Aber ich habe das Gefühl, du möchtest reden. Bist du nicht deshalb hergekommen?«
    Lilli sank in sich zusammen. »Ich weiß nicht, warum ich hergekommen bin. Vermutlich war es ein Fehler. Vermutlich sollte ich jetzt bei meiner Familie sein. Aber …«
    Sie brach ab, wischte sich mit den Händen übers Gesicht, Tränen. »Glaubst du, wir sind es gewesen? Glaubst du, wir haben sie umgebracht?«
    Sie fragte es ganz leise, kaum hörbar, ein winziges, entsetztes Flüstern.

»Nein«, sagte Franza beruhigend, »nein, das glaub ich eigentlich nicht.« Sie strich Lilli übers Haar. »Aber irgendjemand muss es gewesen sein, und alles, was du mir sagst, kann uns helfen, es herauszufinden. Und darum ist es gut, dass du mit mir redest.«
    Wütend sprang Lilli hoch. »Was bist du für ein Mensch?! Gräbst ständig im Sumpf herum! Willst alles ans Tageslicht zerren, alles schlechtmachen! Fragst du dich nie, wie viel du damit kaputtmachst?«
    »Doch«, sagte Franza, »Natürlich frage ich mich das. Immer. Jedes Mal. Aber ich muss das tun. Es geht um die Wahrheit. Muss die Wahrheit nicht ans Licht? Oft können die Dinge nicht noch mehr kaputtgehen. Und wenn etwas daliegt, offen und wund, kann es wieder heilen.«
    Ein kleiner Pfeifton, der Strudel war fertig. Gut, dachte Franza, stand auf, ging zum Ofen, wir brauchen diese Pause. Sie zog die Kasserolle heraus, stellte sie auf ein Holzbrett, kam zurück.
    »Willst du nicht wissen, was mit deiner Mutter geschehen ist?«
    Lilli stöhnte auf. »Ohhh«, fauchte sie. »Ich hasse dich! Ja! Ja, ich will wissen, was mit meiner Mutter geschehen ist. Ich will es wissen, aber vielleicht wäre es besser …«, sie sank zurück auf die Couch, schlug die Hände vors Gesicht, flüsterte den Satz zu Ende, »… vielleicht wäre es besser nichts zu wissen.«
    »Warum?«
    »Weil …« Sie schüttelte den Kopf.
    O.k., dachte Franza, nimm dir Zeit, mein Mädchen. Ich kann warten.
    »Erzähl mir von ihr. Wie war sie?«
    »Gertrud?«
    »Hast du sie so genannt?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Warum nennst du sie jetzt so?«
    Lilli zuckte die Schultern, blickte kurz hoch, dunkles Flackern in den Augen. »Weiß nicht. Einfach so.«
    Franza nickte. »Wie war sie?«
    »Einsam«, sagte Lilli wie aus der Pistole geschossen, nickte bekräftigend. »Ja, einsam.« Sie lächelte traurig, ein kleines Schluchzen. »Das hat mir immer weh getan, dass sie so … war, so allein. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich wegging, schon als Kind, wenn ich zur Schule musste, weil ich wusste, sie war allein. Noch viel mehr allein. Und sie fror immer.«
    Lilli erinnerte sich. Wenn sie heimkam von der Schule, die Mutter vor dem Fernseher, eingehüllt in eine Decke. Immer der rasche Blick aus dem Fenster, ob da auch keiner stand, ob ihr, Lilli, keiner gefolgt

Weitere Kostenlose Bücher