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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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Wange.
    »Lilli?«
    Lilli schreckte hoch, stieß sich den Kopf an der Tür, verzog das Gesicht über den kurzen Schmerz.
    »Wie hast du mich denn gefunden?«
    »Sie stehen im Telefonbuch.«
    »Waren wir nicht schon beim Du ?«
    Lilli nickte.
    »Komm«, sagte Franza, reichte Lilli die Hand, zog sie hoch. »Komm rein.«
    Lilli streifte vorsichtig durch die Wohnung wie eine Katze auf leisen Pfoten. Als ob sie sich anpirsche an ihre Parfüms, dachte Franza und musste lächeln und dachte an die zwei, drei Flakons in ihrem Badezimmerschränkchen. Ob sie morgen auch noch da waren?
    »Hast du Hunger?«
    Lilli nickte.
    »O.k.«, sagte Franza, »das ist gut, denn wir werden kochen«, und packte ihre Einkaufstüte aus. »Apfelstrudel oder Apfelstrudel?«
    Franzas Lust zu backen war ungebremst. Besonders, wenn sie mitten in einem Fall waren und sie abends müde nach Hause kam, musste sie mit komplizierten Teigen und raffinierten Rezepten loslegen und am nächsten Tag hatten alle im Kommissariat ihre helle Freude. Für morgen war als Abwechslung zu den omnipräsenten Keksen Apfelstrudel angesagt, säuerlich-süß hatten die Äpfel im Obstregal gelegen, rotglänzende Teufelchen, die Franza ins Gesicht flüsterten: »Nimm uns, nimm uns, wir sind die burner !«
    Franza hatte ihnen geglaubt und ordentlich zugelangt, Äpfel waren schließlich gesund und regten das Gehirn zum Denken an, und weil das in diesem Fall ausgesprochen nötig war, würden sie morgen alle Apfelstrudel essen.
    »Apfelstrudel«, sagte Lilli und band sich die Schürze um, die Franza ihr reichte.
    Sie arbeiteten schweigend und konzentriert, lediglich unterbrochen von Franzas Anweisungen und Erklärungen, denn Lilli hatte noch nie in ihrem Leben einen Apfelstrudel gebacken. Sie staunte begeistert, als sie den Teig zu einer durchsichtigen, dünnen Haut auszogen, mit zerlassener Butter und Sauerrahm bestrichen, geröstete Brösel und Zimtäpfel darauf verteilten und ihn schließlich mit Hilfe des Strudeltuches einrollten.
    Endlich bugsierten sie ihn in Franzas zwanzig Jahre alte Kasserolle, schoben ihn in den Backofen und Franza freute sich, weil der dunkle Schleier, der über Lilli gefallen war, ein bisschen angehoben schien.
    Als der Duft des Strudels sich langsam ausbreitete, saßen sie auf der Couch in der Wohnzimmerecke, tranken Wasser und knabberten Nüsse.
    »Warum bist du hier, Lilli«, fragte Franza vorsichtig, »was möchtest du mir sagen?«
    Lilli zuckte die Schultern, schwieg. »Ich weiß nicht«, sagte sie endlich, »ich weiß es nicht. Vielleicht nichts. Es ist so verwirrend, so schrecklich. Und daheim halte ich es nicht aus. Alle weinen, alle sind kaputt. Ich auch, aber …«
    Sie knabberte an ihrer Unterlippe. »Meine Großmutter hat sich schrecklich darüber aufgeregt, dass ich wieder gegangen bin, sie meint, jetzt muss die Familie zusammenhalten.« Spöttisch war ihr Ton geworden, verletzt, wütend. »Aber wir sind keine Familie!«
    »Nein?«, fragte Franza vorsichtig, »warum nicht?«
    »Ich weiß nicht. Sind wir irgendwie nie gewesen«, sagte Lilli knapp. »Moritz ist meine Familie.«
    »Und dein Vater?«
    »Er ist nicht mein Vater. Ich kenne meinen Vater gar nicht. Weiß nichts über ihn. Irgendeine … Geschichte. Hat sie mir nie erzählt. Wir sind lang allein gewesen, meine Mutter …«, sie zögerte, »Gertrud und ich, wir sind lang allein gewesen, hatten eine Wohnung hier in der Stadt, sie hat manchmal in einer Bibliothek gearbeitet, aber meistens nicht. Mein Großvater hat uns finanziert, denke ich.«
    Klang Sehnsucht aus ihrer Stimme? Oder war es lediglich Trauer vermischt mit Ungeduld? Ungeduld worüber? Und Sehnsucht wonach?
    »Warum hat sie nicht regelmäßig gearbeitet? Vor allem, als du älter warst, in die Schule gingst.«
    Lilli zuckte die Schultern. »Daran bin ich wohl schuld. Sie ist schwanger geworden, da war sie noch am Anfang des Studiums und dann hat sie es nicht mehr fertiggemacht.«
    »Warum nicht? Das hätte man doch alles organisieren können.« Franza war erstaunt. »Bei dem Elternhaus?!«
    »Ja. Hätte man. Hat man aber nicht.«
    Franza wartete.
    »Sie sollte Anwältin werden«, sagte Lilli und verbesserte sich gleich, »oder wollte.« Sie zuckte die Schultern. »Was weiß ich. Du weißt doch, mein Großvater und die Kanzlei. Lange Familientradition.«
    Sie hob theatralisch die Arme. »Sie hat ihn wohl sehr enttäuscht, den Alten. Und ich …«
    »Und du?«
    »Ich werde ihn auch wieder enttäuschen.«
    Franza nickte.

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