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Rabenvieh (German Edition)

Rabenvieh (German Edition)

Titel: Rabenvieh (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Anhofer
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krönenden Abschluss nicht nehmen, mich an den Haaren nach unten »zu begleiten«. Nachdem sie mich in mein kaltes Verlies regelrecht hineinwarf, so, als wäre ich ein dreckiger Fetzen, schloss sie die Kellertür und sicherte sie mit dem Riegel von außen. Kurze Zeit später kam sich noch einmal zurück. Sie öffnete die Tür und warf mir kommentarlos ein paar alte Lappen und eine Betaisodona-Salbe vor die Füße. Die Lappen bekam ich, um mir meine blutenden Wunden abzuwischen und die Salbe, um mich hinterher einzuschmieren, damit meine Wunden schneller heilen konnten. Oft war mein Körper derartig übersät mit Wunden, sodass ich mit einer einzigen Anwendung den Inhalt der Tube vollständig entleerte. Was wiederum fatale Auswirkungen hatte. Denn entleerte ich die Tube, bekam ich wieder eine Abreibung verpasst, da ich laut Ansicht meiner Pflegemutter zu verschwenderisch gewesen war. Außerdem machte sie mir eines Tages zum Vorwurf, dass ich keine Ahnung hätte, wie viele Kosten ich mit meinem verschwenderischen Handeln verursachen würde, und drohte mir deshalb an, nicht mehr weiterhin für mich in die Apotheke zu laufen. Meine Reaktion auf ihre Androhung war ein einfaches Schulterzucken, womit ich ihr signalisierte, dass es mir egal war. Auf mein Schulterzucken hin zog sie mich an den Haaren und donnerte meinen Kopf mehrmals gegen die Wand, um mir klarzumachen, dass ich mich nicht trotzig zu verhalten hatte.
    Da lag ich also wieder einmal - auf meinem kalten Zimmerboden und weinte mir die Seele aus meinem Leib. In die Schule durfte ich nach dieser Marterei natürlich nicht, zumindest so lange nicht, bis mein Gesicht frei von Verletzungen war. Konnte ich nach Abheilen meiner Gesichtsverletzungen die Schule besuchen, bekam ich, sofern meine Verletzungen am restlichen Körper noch nicht vollständig abgeheilt waren, eine Entschuldigung für den Turnunterricht. Als Begründung gab meine Pflegemutter wie fast jedes Mal an, dass ich wieder einmal so tollpatschig gewesen wäre, indem ich mich beim Spielen verletzt hätte. Ich wagte es nie wieder, Geld von meinem Pflegevater zu entwenden. Aber, um nicht wieder aus der Gruppe verbannt zu werden, hegte ich einen neuen Plan. Ich spielte mit dem Gedanken, Essen und Süßigkeiten im Geschäft zu stehlen.
    Im Geiste plante ich in den darauf folgenden Wochen jedes noch so kleine Detail. Eines Morgens, kurz vor Schulbeginn, packte ich all meinen Mut zusammen und rannte in das Geschäft. Vor Angst schlug mir mein Herz wieder einmal bis zum Hals. Ich stand mitten in den Regalen und betrachte all die leckeren Sachen. Doch je länger ich dort stand, umso mehr verließ mich der Mut, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich versuchte mir permanent in Erinnerung zu rufen, dass ich ein Teil der Gruppe sein wollte und zudem mit dem Diebstahl meinen Hunger stillen wollte. Die Zeit lief mir allmählich davon. Bald würde die Schulglocke den Unterrichtsbeginn einläuten. Schließlich schnappte ich mir eine Packung Manner-Schnitten und steckte diese schnell in den Bund meiner Hose. Mit meiner Beute verließ ich so unauffällig wie möglich das Geschäft. Ich lief über die Straße, hinüber zur Schule und auf die Toilette. Meinen Plan, mit anderen zu teilen, um nicht aus der Gruppe ausgeschlossen zu sein, warf ich kurzerhand über Bord. Zu groß war mein Hunger. Hastig riss ich die Packung auf und verschlang gierig eine Schnitte nach der anderen. In den darauf folgenden Tagen wiederholte ich das Ganze. Ich wiederholte es so lange, bis ich eines Tages den Blicken der Geschäftsinhaberin ausgesetzt war. Vom Zeitpunkt des Betretens beobachtete sie mich auf Schritt und Tritt. Sie ahnte wohl etwas. Ich verließ an diesem Tag das Geschäft ohne etwas zu stehlen und betrat dieses während meiner gesamten Volksschulzeit nie wieder.

Ein unvergessener Tag

    Ich war bereits zwölf Jahre alt und es passierte mir immer wieder, dass mein Bett morgens nach dem Aufwachen nass war. Es hatte in keiner Weise etwas damit zu tun, dass ich nachts zu faul war, um aufzustehen. Nein, das war es nicht, ich bemerkte schlicht und einfach nicht, wenn sich meine Blase während des Schlafs entleerte. Meine Pflegemutter war jedenfalls anderer Meinung und so gab es jeden Morgen, wenn das Bett nass war, Schläge. Eines Tages meinte sie, selbst Schläge würden mich nicht dazu bringen, um damit aufzuhören und erwähnte eine andere, effizientere Art, mir das Bettnässen abzugewöhnen. Sie nannten mich von nun an »die

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