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Rabenvieh (German Edition)

Rabenvieh (German Edition)

Titel: Rabenvieh (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Anhofer
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Gericht. Ich wusste nur zu gut, was es hieß, tagelang zu hungern, aber bei diesem Essen hätte ich sogar das Hungern vorgezogen. Meine Pflegemutter stand hinter dem Herd, als ich sie mit einem »Hallo« begrüßte. Dass ich keine Antwort bekam, beunruhigte mich nicht, denn das war bis auf wenige Ausnahmen ohnehin die Regel. Nachdem ich meine Schultasche in den Keller brachte, ging ich wieder nach oben und nahm in der Küche am Küchentisch Platz. Meine Pflegemutter wusste natürlich, dass ich dieses Essen nicht mochte. Für sie eine Genugtuung, mir an diesem Tag die erste Abreibung zu verpassen. Lieblos setzte sie mir das Essen vor die Nase. Wenn ich sonst kaum etwas zu Essen bekam, von diesem bekam ich dafür gleich eine extra große Portion vorgesetzt. Ihr Zeigefinger auf die Uhr gerichtet, reichte vollkommen aus, um in meinem Sessel völlig verzweifelt zusammenzusinken. Damit gab sie mir ihr allzeit beliebtes Zeitlimit vor und ich wusste nur zu gut, was dies zu bedeuten hatte. Ich kann mich nicht daran erinnern, es jemals innerhalb ihrer vorgegebenen Zeit geschafft zu haben. Immerzu blickte ich auf die gegenüber hängende Uhr und je näher der Minutenzeiger das Ende der vorgegebenen Zeit anzeigte, umso nervöser wurde ich. So sehr ich mich auch bemühte - ich schaffte es auch diesmal nicht. Mein Herz begann wie wild zu schlagen, als sie sich hinter mich stellte und mir beim Essen über die Schulter blickte. Sie hinter mir zu wissen, machte mich völlig panisch, denn anhand leidvoller Erfahrungen wusste ich, dass ich jede Sekunde mit einem Angriff von ihr zu rechnen hatte. Letzteres ließ auch dieses Mal nicht lange auf sich warten. Ich begann zu wimmern, als ich spürte, wie ihre Hand meinen Nacken umklammerte und sie mir ins Ohr flüsterte: »Iss, du Rabenvieh, sonst helfe ich dir nach!« Ich hatte das Zeitlimit überschritten und nun brachte ich vor lauter Angst erst recht keinen Bissen mehr hinunter.
    Für einen kurzen Moment verließ sie die Küche, um den Gürtel meines Pflegevaters aus der Garderobe zu holen. Abermals sank ich auf meinem Sessel zusammen und heulte Rotz und Wasser, denn ich wusste, worauf ich mich nun einzustellen hatte. Zurück in der Küche band sie mir mit dem Gürtel meine Hände am Rücken zusammen. Mit ihrer Hand griff sie anschließend in mein Essen, zermatschte es zwischen ihren Fingern, bis sie eine Handvoll davon nahm und es mir gewaltsam einzuführen versuchte. Wie so viele Male zuvor beging ich den Fehler, ihr auszuweichen, was zur Folge hatte, dass sie mir links und rechts eine runterhaute. »Mach dein Maul auf und iss es«, schrie sie mich an. Tränen der Verzweiflung liefen über meine Wangen und tropften auf mein Oberteil. In meinen Gedanken betete ich wieder einmal zu Gott und hoffte, dass er mir wenigstens dieses eine Mal zur Seite stünde. Aber er schien wohl auf der Seite meiner Pflegemutter zu stehen, denn die Quälerei ging ungehindert weiter. So sehr ich mich anfangs auch gegen ihre Folter wehrte, so unterwarf ich mich ihr früher oder später, denn schließlich kannte ich diese Quälerei zur Genüge und ich wusste, dass sie nicht von mir ablassen würde, bevor sie nicht an ihrem Ziel war. Mit ihrer Hand versuchte sie gewaltsam meinen Mund offen zu halten und übte dabei so festen Druck aus, dass ich dachte, sie würde mir jeden Moment den Kiefer brechen. Eine Handvoll nach der anderen nahm sie von meinem Teller und stopfte es mir in den Mund. Ich schloss dabei die Augen und kämpfte mit aller Kraft dagegen an, damit mir nicht alles wieder hochkam. Nachdem sie mir das Letzte in ihrer Hand tief in den Rachen schob, bekam ich nochmals eine links und rechts verpasst. Sie ließ mich noch eine ganze Weile festgebunden sitzen. Als sie mich einige Zeit später losband, lief ich aus der Küche, aus dem Haus in Richtung Komposthaufen und erbrach das ganze Essen. Diesem Monster entging das natürlich nicht, und als ich zurück ins Haus und in die Küche kam, stand bereits der nächste Berg Szegediner Gulasch am Tisch und die ganze Prozedur ging wieder von vorn los. Aber diese Art von Bestrafung war an diesem Tag noch mein geringeres Problem.
    Das Monster verwies mich nach der Essensfolter in den Keller, wo ich auf neue Anweisungen zu warten hatte. Ich saß in meinem kalten und modrig riechenden Zimmerloch, und während ich dort nervös an meinen Fingernägeln kaute, fragte ich mich, was sie als Nächstes für mich in petto hätte.
    Es war kurz nach fünfzehn Uhr, als ich das

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