Rabenzauber
Stimme. »Wir sind in Sicherheit - ruf den Wind zurück und lass ihn schlafen.«
Ihre Tochter starrte sie ausdruckslos mit ihren leuchtenden Augen an, und der Wind wirbelte und spielte weiter. Ein Tintenfass erschien aus dem Nichts und traf Seraph schmerzhaft am Ellbogen.
»Rinnie!«, rief sie in dem gleichen Tonfall, den sie einsetzte, wenn die Kinder sich stritten. »Das reicht jetzt!«
Rinnie blinzelte, der Wind erstarb zu sanften Böen, und dann war er vollkommen verschwunden. Kleine Gegenstände fielen klappernd zu Boden. Rinnie sackte auf alle viere nieder, und Seraph eilte zu ihr und hockte sich neben sie.
»Wie geht es dir? Bist du in Ordnung?«
Rinnie nickte. »Tut mir leid, Mutter. Mir ist nur ein bisschen schwindlig.« Dann trat eine Spur ihres üblichen Grinsens auf ihre Züge, und sie blickte zu Jes. »Das war noch besser, als sich in ein Tier zu verwandeln.«
»Mutter«, warf Lehr ein, »was soll ich mit Onkel Bandor machen? Ich kann ihn nicht ewig festhalten.«
Bandor war umschattet. Sie packte das Messer fester, aber bevor sie mehr tun konnte, als wieder aufzustehen, sagte Hennea: »Nein, Seraph. Ich habe gelogen. Der Schatten kann vertrieben werden.«
Seraph erstarrte. »Was?«
Hennea saß neben dem toten Priester auf dem Boden, die Wangen mit seinem Blut bestrichen. »Ich habe gelogen. Ich habe geschworen, dass dieser Mann sterben wird. Und es ist nur angemessen, dass er während der Ausübung seiner Sünden starb. Aber mit deiner Hilfe werde ich den Bäcker läutern können.«
»Seraph? Bandor?« Alinaths Stimme erklang im Flur.
Wenn sie Bandor helfen wollten, hatte Seraph jetzt nicht die Zeit, auf die andere Reisende wütend zu werden.
»Jes? Kannst du Alinath in Schach halten, ohne dir oder ihr wehzutun?«, fragte sie. »Wenn wir heute Nacht noch mehr Magie wirken wollen, können wir nicht brauchen, dass sie uns stört.«
»Ja«, sagte Jes und stieß sich von der Wand ab, um auf die Beine zu kommen. Mit ein paar wie betrunken wirkenden Schritten ging er zur Tür. Alinath war schon eher da, blieb aber vor ihm stehen.
»Wir müssen es hinter uns bringen«, sagte Seraph. »Ich denke, ich könnte vielleicht so gerade eben ein Licht anzünden. Hast du genug Magie, und kannst du dich gut genug konzentrieren, um sie zu benutzen?«
Hennea kam unter Schmerzen auf die Beine, wobei sie ihren unverletzten Arm als Stütze nahm. »Ich denke, ich bin zu taub, als dass mir viel wehtun könnte, und ich habe mich nicht so verausgabt wie du. Ich werde es schon schaffen.«
Sie hinkte zu Lehr und Bandor und sprach ein Wort. Glühende Linien zogen sich um Bandors Handgelenke und Fußknöchel.
»Bitte lass ihn los«, sagte sie, und Lehr trat zurück.
Mithilfe der silbrigen magischen Schnüre zwang Hennea Bandor, sich umzudrehen, sodass er mit dem Rücken an der Wand stand.
Er spuckte sie an. »Schattenbrut-Hexe. Du solltest in einem Feuer aus guter Eberesche und Eiche brennen.«
Hennea ignorierte ihn, griff nach seinem Kopf und zwang ihn, sie anzusehen. Seraph kam so nahe heran, wie sie es wagte.
Hennea packte Bandors Haar fest und legte ihm dann eine weitere glühende Linie über die Stirn, um seinen Kopf so zu fixieren, wie sie es brauchte.
»Du darfst nicht zulassen, dass sie uns ablenken«, erklärte sie Seraph in der Sprache der Reisenden. »Wenn ich noch einmal von vorn anfangen muss, ist es doppelt so schwer.«
Sobald sie verhindert hatte, dass Bandor sich bewegen konnte, legte sie ihm die Hand auf die Stirn. Er versuchte sich zu wehren, kämpfte wie ein Verrückter gegen die Fesseln an - aber Hennea hatte gute Arbeit geleistet, und er konnte nicht einmal den Kopf bewegen.
»Die Umschattung ist schwer zu finden. Es würde helfen, wenn ich ihn besser kennen würde. Erzähl mir etwas von ihm - wie der Schatten ihn erwischen konnte.«
»Er heißt Bandor«, sagte Seraph. »Er ist mit der Schwester meines Mannes verheiratet. Er war immer ein ausgeglichener Mann, und gerecht, wenn auch ein bisschen geizig.« Aber nur ein bisschen. Der niedrigere Preis, den er ihr für Jes’ Honig gegeben hatte, hatte nicht zu ihm gepasst, erkannte sie jetzt. Der Familie gegenüber war er immer großzügig gewesen. »Seine Eltern waren keine Rederni, und er wurde nie wirklich akzeptiert, bevor er Alinath heiratete, die Schwester meines Mannes.«
Hennea schickte tastende Ranken von Magie aus, die durch Bandor gingen wie ein heißes Messer durch die Butter, hierhin und dorthin.
»Was wünscht er sich?«,
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