Rabenzauber
keine alten Frauen - aber Heiler konnten auf einem Schlachtfeld auf sich aufpassen.
»Wir müssen es heute Abend tun«, sagte Seraph noch einmal.
Avar nickte, dann wandte er sich seinen Leuten zu. In kurzen, klaren Sätzen beschrieb er, was sie tun würden und warum.
Das weiße Gewand, das sie einem unvorsichtigen Raubvogel abgenommen hatte, war aus kratziger Wolle, aber Seraph
stand reglos neben Brewydd, die sich mit dem Raubvogel neben sich unterhielt - und zwar ausgerechnet über den Anbau von Tomaten.
Hennea hatte sie mit Magie belegt: Ihr Bann veranlasste andere, den Blick abzuwenden, damit man sie nicht bemerkte, und außerdem gab es kleinere Dinge, um Einzelheiten zu verbergen, die ansonsten vielleicht Aufmerksamkeit erregt hätten, wie Seraphs geringe Größe und ihr Geschlecht. Als Hennea alle angewiesen hatte, sie sollten sich bemühen, nicht aufzufallen, hatte Seraph allerdings nicht angenommen, dass sie damit meinte, mit dem erstbesten Raubvogel, dem sie begegneten, Gartentipps auszutauschen.
Seraph sah sich um. Jes war ebenfalls irgendwo in der Nähe, aber er hatte kein weißes Gewand übergezogen. Niemand würde ihn sehen, ehe er das wollte. Lehr befand sich beim Rest ihrer kleinen Truppe.
Die Sperlinge hatten sich bereits versammelt; Seraph zählte sie. Wenn man davon ausging, dass Tiers junger Gefolgsmann tatsächlich von den Meistern vorgeführt werden sollte, waren alle anderen Sperlinge anwesend. Sie hatten keine Kapuzen an den Gewändern, aber Seraph fand, dass das einheitliche Blau bereits genug Unterschiede verbarg, wodurch es ihr schwerfiel, Toarsen zu entdecken, den einzigen Sperling, den sie kannte. Vor der Bühne standen Reihen von Stühlen, zu denen man die Sperlinge führte, bis auch der letzte von ihnen saß.
Es gab mehr Raubvögel, als sie gehofft hatte, beinahe dreimal so viel wie Sperlinge. Also gut, sagte sie sich, damit wurde es noch unwahrscheinlicher, dass jemand bemerkte, wer sich eingeschlichen hatte.
»Anhänger des Geheimen Pfads!«
Seraph erstarrte bei der Spur von Magie, die die Worte begleitete, damit sie lauter wirkten, als sie wirklich waren.
Es wurde still im Raum. Brewydd senkte die Stimme zu einem Murmeln, fuhr aber fort, die Vorteile des Tomatenanbaus in unterschiedlichen Erdarten zu beschreiben.
Es war Rabenmagie gewesen, die dem Mann im schwarzen Gewand, der nun vorn vor dem geschlossenen Bühnenvorhang stand, seine Macht verlieh. Warum hatte er die Weisung des Barden nicht verwendet? Ein Barde hätte mehr getan, als nur über den Lärm der Menge hinwegzutönen, er hätte die Aufmerksamkeit aller heraufbeschwören können, selbst die von Tomatenbegeisterten wie Brewydds Gesprächspartner.
Vielleicht wussten die Zauberer das nicht, oder vielleicht zogen sie es einfach vor, mit vertrauten Mitteln zu arbeiten. Ein Solsenti -Magier, dachte sie, würde daran gewöhnt sein, Magie auf eine bestimmte Weise zu praktizieren - wie Raben vielleicht, oder sogar wie Kormorane. Sie wollten die Weisungen für ihre Macht, aber selbst Volis hatte nichts für Subtilität übrig gehabt.
»Wenn ihr ins Nest kommt, leistet ihr bestimmte Schwüre«, sagte der Zauberer. »Als Erstes, niemals einem anderen zu verraten, was wir hier tun. Zweitens geht es darum, mindestens an drei Abenden in der Woche zum Nest zu kommen. Drittens schwört ihr, den Raubvögeln und Meistern mehr als allen anderen Eiden zu gehorchen. Einer von euch hat gegen die letzten beiden dieser Regeln verstoßen. Wir sind heute hier, um ihn zu disziplinieren - nicht in Hoffnung auf seine Besserung, denn er wird in unserem Nest nie wieder willkommen sein.«
»Telleridge weiß wirklich, wie man ein Publikum in seinen Bann schlägt«, staunte der Raubvogel, der sich mit Brewydd unterhalten hatte, mit vor Alter bebender Stimme. Bald schon kehrte er jedoch wieder zu seinem Lieblingsthema zurück »Ich finde, die Tomaten, die ich im Gewächshaus züchte …«
»Aber das ist nicht der einzige Grund, wieso wir hier sind.« Der Meister klang bekümmert, doch Seraph fand, dass er es ein wenig übertrieb. »In den letzten Wochen ist uns aufgefallen, dass unsere Sperlinge sich von der Magie unseres Reisendengasts verführen ließen. Die Magie, die die seine hier in unseren Hallen einschränkt, hängt auch von eurem Widerstand ab. Wenn ihr ihm folgen, wenn ihr seine Diener sein wollt, dann kann unsere Magie nichts tun, um euch zu beschützen. Also müssen wir schärfere Maßnahmen gegen ihn ergreifen.«
Sie hatten
Weitere Kostenlose Bücher