Rabenzauber
Tier also wirklich. War er noch am Leben?
»Es gibt noch ein drittes Problem, das uns schon mehrere Jahre beschäftigt hat. Unser Kaiserreich, gegründet von Helden, erbaut von Männern von Weitsicht, Männern von Intelligenz, wird derzeit von einem Säufer regiert. Er ist so gelangweilt von den Frauen und dem Wohlstand, die ihm zur Verfügung stehen, dass er begonnen hat, sich gegen die Männer zu wenden, die das Kaiserreich erhalten. Wer wird uns retten, wenn dieser unverantwortliche Kaiser sich entschließt, die uralten Grenzen der Septs zu überschreiten? Wer? Wir werden uns selbst retten müssen.«
Er hob beide Hände, und der große Vorhang hinter ihm knarrte und quietschte, als er sich langsam zur Magie des Meisters öffnete.
Auf einer Seite der Bühne stand ein verängstigter junger Mann, nackt und mit Ketten um die Handgelenke, die an einem Ring auf dem Boden der Bühne befestigt waren. In der Mitte stand der Kaiser. Sie hatten ihn nicht ausgezogen - hatten wohl befürchtet, bei der Menge die falsche Reaktion auszulösen, dachte Seraph -, aber er trug das gleiche Gewand wie am Vorabend, und seine Kleidung sah ziemlich schlimm aus. Aber es war der dritte Mann, Tier, auf den sich ihr Blick konzentrierte.
Er lebt noch, dachte sie erleichtert; sie konnte sehen, wie sich sein Brustkorb bewegte, wenn er atmete. Wie den Sperling, um den er sich solche Sorgen gemacht hatte, hatte man ihn ausgezogen und angekettet, aber er stand nicht aufrecht, sondern lag zusammengerollt auf dem Boden, die Haut rot und schwarz von Schlägen.
Zorn stieg in Seraph auf wie eine rote Flut. Sie starrte den Meister an, der dieses Durcheinander angerichtet hatte, und nahm auf, was ihre Magie ihr sagen konnte. Er war ein Solsenti -Zauberer von bescheidener Macht, verstärkt von zwei Rabenringen, von denen einer sehr alt war.
»Wir kümmern uns erst um das größte Verbrechen. Phoran der Sechsundzwanzigste, wir, die Anhänger des Geheimen Pfads, erklären dich für unfähig, unser Kaiserreich zu regieren!« Der Meister wandte sich dem Publikum zu und gab ihm das Zeichen für eine bestimmte Reaktion. Ein zustimmendes Johlen vielleicht?
Aber es kam nichts, weil Phoran sprach.
»Tatsächlich«, sagte er mit einer Würde, die jedes Herz im Raum erfasste, »ist es Phoran der Siebenundzwanzigste. Ich war immer der Ansicht, da der alte Bauer das Kaiserreich gegründet hatte, sollte er auch dafür geachtet werden.«
Selbst Brewydds neuer Freund schwieg nun.
Seraph spürte, wie ein erleichtertes Grinsen ihre Mundwinkel nach oben zucken ließ. Tier schien es besser zu gehen, als er aussah, wenn er Phorans banalen Worten solche Macht geben konnte.
Phoran schien ein wenig verblüfft über die Reaktion auf seine Sätze. Los, Tier, dachte Seraph leidenschaftlich. Sie warf einen Blick zu Telleridge, aber selbst bei der teilweisen Immunität, die die Rabenringe ihm verliehen, war er zu nahe an Phoran, um etwas anderes tun zu können, als zuzuhören.
Und nach einem Atemzug wusste der junge Kaiser weiter. »Einiges von dem, was Telleridge sagte, trifft zu. Ich war nicht gerade der beste Kaiser, aber mir war auch nicht klar, ob überhaupt jemand wollte, dass ich das bin. Wie ihr dachte auch ich, der Rat der Septs - angeführt von Leuten wie Telleridge hier - sei weitaus fähiger, als ich es jemals sein könnte. Das hätte eigentlich zutreffen sollen.«
Er brauchte zu lange, dachte Seraph, die sah, wie sich Telleridge gegen die Bardenberührung wehrte. Tier konnte unmöglich den ganzen Raum so lange in Bann halten, nicht in der Verfassung, in der er sich befand.
Sie trat von der Wand weg und ging auf das Zentrum des Auditoriums zu. Wenn sie Tier erreichen konnte, würde sie ihm helfen können.
»Sie sind intelligent und für ihr Amt ausgebildet. Wenn sie sich entschlossen hätten, gerecht zu herrschen, hätten sie das sicher tun können. Aber stattdessen geht es ihnen nur um persönlichen Gewinn. Einige von euch wurden ermutigt, letztes Jahr auf der Straße der Weber ein wenig Unruhe zu stiften. Wisst ihr, dass sich das Einkommen des Ratsvorsitzenden nach diesem Vorfall um die Hälfte erhöhte, weil die Weber ihn nun für das Recht bezahlen, ihre Waren an ihren eigenen Marktständen verkaufen zu dürfen? Gorrish ist einer der Raubvögel, die euch geschickt haben, die Weber anzugreifen - hat einer von euch etwas davon gehabt?«
Phoran holte tief Luft, und Seraph spürte, wie die Menge unruhig wurde, als die Bardenberührung kurz aussetzte und
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