Rabenzauber
hatte. Verborgen in seinem Gefolge, befand sich eine Handvoll Magier, die ihre eigenen Gründe hatten, ihn zu begleiten.
Sie ließen einen von sich zurück, einen Magier-Priester, der im Herzen von Leheigh eine neue Religion einführen sollte, in einem Gebiet, das so alt an Macht und so gut geeignet war, um Geheimnisse zu pflegen - was sie für den wichtigsten Teil ihres zweigeteilten Auftrags hielten.
Der andere Teil bestand darin, einen Mann zu entführen, der die Bardenweisung der Eule erhalten hatte und gerade von der winterlichen Jagd zu seiner Familie zurückkehren wollte. Das fiel den Magiern nicht schwerer als etliche andere Entführungen dieser Art - vielleicht war es sogar einfacher, denn ein Rabe oder Jäger hätte bei einem Angriff durch Zauberer besser zurückschlagen können als ein Barde.
Es bestand also kein Grund anzunehmen, dass dieser Mann anders sein würde als so viele, die sie in der Vergangenheit entführt hatten. Mir ging es ebenso - und ich hätte es eigentlich besser wissen müssen, denn Tieragan aus Redern war für mich kein Fremder.
Der Gedanke, dass er bald sterben würde - so notwendig das sein mochte -, machte mich traurig. Dass sein Tod mir
überhaupt etwas bedeutete, sagte mir, dass ich ihn beinahe zu lange aufgeschoben hatte. Es würde mir fehlen, ihn singen zu hören, dachte ich an dem Tag, als ich meine Zauberer ausschickte, um ihn zu entführen. Ich tröstete mich ein wenig mit dem Wissen, dass ich, selbst wenn er überlebt hätte, nicht viel länger imstande gewesen wäre, ihm zuzuhören; er oder die Seinen hätten bemerkt, was ich war.
Und wenn ich seinen Liedern schon nicht mehr lauschen konnte, war es nur angemessen, dass bald auch kein anderer mehr Tiers Musik hören würde. Das sagte ich mir jedenfalls und versuchte, nicht mehr an seinen Tod zu denken. Ich hatte jedoch vergessen, was er gewesen war, und mich nur an den Bauern erinnert, der manchmal ein paar Münzen verdiente, indem er abends in der Schänke sang.
Also überließ ich Tier meinen Zauberern, die mir immer gut gedient hatten, und widmete mich dem Wachstum meiner Religion.
Ich hatte beinahe ein ganzes Jahrhundert gebraucht, um zu begreifen, dass ich auch Macht gebrauchen konnte, die andere Quellen als den Tod hatte. Tod ist es, wonach ich mich sehne, aber ich möchte ihn nicht öfter benutzen als notwendig. Er erweckt zu viel Aufmerksamkeit, und die Macht, die er bringt, erzeugt Sucht. Sie lässt mich waghalsig handeln, wenn ich doch eigentlich feiner vorgehen will. Also habe ich stattdessen gelernt, mich von starken Gefühlen zu nähren: Neid, Hass und Lust.
Meine Tempel bieten mir einen nicht enden wollenden Vorrat an solchen Gefühlen. Worum bitten die Menschen schon in ihren Gebeten?
Lass meinen Vater sterben, sodass ich seinen Wohlstand erben kann, sagt einer, und ein anderer senkt den Kopf und bittet: Mach, dass Torens Frau mich voller Begierde ansieht. Einige Gebete sind auch verzweifelter: Bitte, lass niemanden herausfinden,
dass ich das Gold meines Herrn gestohlen habe. Ich will nicht sterben. Von diesen Wünschen nährte ich mich, wie es die Götter einmal getan haben müssen. Sie machten mich stark.
Ich bin nicht der namenlose König. Manchmal könnte man glauben, er sei der einzige Schatten gewesen. Aber er war nicht der Erste, und auch nicht, wie ich beweisen kann, der Letzte. Anders als er brauche ich keine Beweihräucherung und keinen Titel, denn ich habe tatsächliche Macht. Ich will nicht Kaiser der Welt sein, ich habe andere Pläne. Es gefällt mir, wenn andere meine Ziele für mich erreichen. Es amüsiert mich.
Ich war stolz darauf, schon im Vorhinein zu wissen, welche Personen mir am besten dienen würden. Ich wurde zu abhängig - nein, nicht abhängig … selbstzufrieden . Ich wurde zu selbstzufrieden, weil meine Leute mir immer gehorchten und immer erreichten, was ich ihnen auftrug.
Wenn ich den Zauberer-Priester Volis besser im Auge behalten hätte, hätte ich voraussehen können, dass sein Ehrgeiz sich meinen eigenen Plänen in den Weg stellen würde. Ich hätte die Zerstörung meines Tempels in Redern aufhalten können.
Aber so bequem dieser Tempel gewesen sein mag, er war nicht unbedingt notwendig. Er entstand ebenso, um den ehrgeizigen und mächtigen Zauberer Volis an einen Ort zu bringen, wo er nicht viel Schaden anrichten konnte, als zu anderen Zwecken. In meinen Tempeln in Taela versorgen mich Tausende mit dem, was ich will. Ich brauchte Redern nicht, und daher habe ich
Weitere Kostenlose Bücher