Rabenzauber
getötet hat.«
Tier wollte antworten, dann sah er Phorans blasses Gesicht hinter Avar und erkannte, was die Zauberer getötet hatte. »Dann muss er es wohl gewesen sein«, sagte er und versuchte, seine Erleichterung zu verbergen. Jes war nicht außer
sich geraten - für die toten Zauberer war das Memento verantwortlich.
Lehr erstarrte, und Seraph legte eine Hand auf Tiers Schulter. Er tätschelte die Hand und dann Lehrs Bein. »Sehen die anderen genauso aus?«
»Ja«, erwiderte Phoran. »Genauso. Als wären sie ausgesaugt worden.«
»Das war der Hüter«, erklärte die Heilerin klar und deutlich. Tier war nicht bewusst gewesen, dass sie ihnen gefolgt war. »Der Hüter hat die Seinen beschützt. Hebt diesen Mann auf und setzt ihn nicht wieder ab, bis er sich irgendwo befindet, wo er sich gut ausruhen kann. Habt ihr hier ein Zimmer, wo wir ihn für die Nacht unterbringen können?« Die letzte Frage richtete sie an Phoran.
Der junge Kaiser verbeugte sich. »Ich denke, die Zelle, die Tier bewohnte, wird am schnellsten zu erreichen sein. Er kann sich so viel Zeit lassen wie nötig, und sobald er dazu imstande ist, werde ich ihm gern eine bessere Unterkunft zur Verfügung stellen.«
Brewydd sah Seraph an. »Du wolltest sie zu Asche verbrennen, Mädchen, also tu das jetzt. Es ist nicht gut, die Leichen von Zauberern intakt zu lassen.«
Lehr und Toarsen hoben Tier ein weiteres Mal hoch. Seraph machte eine Handbewegung, und die Leichen der Meister brachen in blauweiße Flammen aus, die sie sofort vollkommen verzehrten. Sie warf Tier einen Blick zu, der ihm sagte, er solle lieber einen guten Grund dafür haben, Jes in eine Situation zu bringen, die es für andere noch schwieriger machte, ihn zu akzeptieren.
»Helfen wir ihm zurück in seine Zelle«, sagte sie schließlich. »Dann kann Lehr nach Jes suchen und ihn ebenfalls dorthin bringen.«
Der kurze Weg durch den Flur war schrecklich. Auf halber Strecke wechselte Lehr einen Blick mit Toarsen und verlagerte Tier so, bis er ihn hochheben und den Rest des Wegs allein tragen konnte.
Seraph schickte Toarsen mit einem Kuss auf die Wange zu Avar und ignorierte Tiers empörtes »Heh!«
Als Toarsen weg war, sagte sie zu Lehr: »Dein Vater kann zweifellos erklären, wieso er Jes diese unangenehme Sache angelastet hat. Also brauchst du nur deinen Bruder zu finden und ihn hierher zurückzubringen, damit Tier es ihm ebenfalls sagen kann, bevor die Reaktionen der anderen ihn kränken.«
Die Heilerin hatte sie begleitet, und sie überprüfte Tiers Zustand noch einmal ausführlich, um sich zu überzeugen, dass das, was sie getan hatte, genügen würde. Als sie fertig war, tätschelte sie Tiers Schulter.
»Das Schwierigste für einen Heiler ist zu lernen, wann man mit Heilen aufhören soll«, sagte sie. »Und es gibt auch für den Kranken immer einen Preis. Du wirst sehr bald sehr müde werden, und du wirst die nächsten paar Tage eher schlafend als wach verbringen. Also sagst du mir lieber schnell, wieso du dem armen Jungen in die Schuhe schiebst, was ein Memento getan hat.«
Seraph schnappte nach Luft. »Ein Memento?«
»Kann nicht«, sagte Tier. »Versprochen.«
»Was habt Ihr versprochen?«, fragte Phoran, schlüpfte ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
»Nicht zu erklären, wieso er seinem Sohn die Schuld für Tode gibt, die das Memento eines Raben bewirkte«, sagte die alte Heilerin säuerlich. Sie sah Phoran noch einmal an. »Und du hast alle Anzeichen, dass ein Memento sich von dir nährt, Junge.«
Seraph zog eine Braue hoch und räusperte sich. »Das ist der Kaiser«, erinnerte sie Brewydd.
»Wenn du einmal so alt bist wie ich«, erwiderte Brewydd, »kannst du jedem alles sagen.«
Phoran lächelte. »Es ist mein Memento«, sagte er. »Schon in Ordnung, Tier. Schlaf ein. Ich werde es ihnen erzählen.«
Der Kaiser setzte sich an das Ende des Betts; er sprach leise und erzählte ihnen, wie das Memento sich an ihn gebunden hatte. Irgendwann mitten in der Geschichte schlief Tier ein.
»Sie hatten Schutzzauber«, sagte Brewydd, nachdem Phoran mit seiner Geschichte zu Ende gekommen war. »Es konnte sie nicht verzehren. Normalerweise wäre es dadurch unfähig gewesen, sich zu ernähren, und einfach vergangen. Aber du warst ebenfalls dort.« Sie nickte. »Ich habe schon ein paarmal gehört, dass so etwas passieren kann. Das Memento hängt sich an die falsche Person. Solange es dem Opfer etwas zurückgibt, kann dieses weiterleben. Was hat es dir
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