Rabenzauber
illusionären Schleier des Zauberers befand, war reines Übel. Der Zauberer schleuderte dem Memento eine Art von Magie entgegen, und das Memento verschwand. Der Zauberer hat uns nicht gesehen. Als er weiterfloh, folgten wir ihm nicht mehr.«
»Gut«, stellte Seraph fest. »Du hast das Richtige getan.«
»Als ich Jes fand«, sagte Lehr, »zeigte er mir, wohin der Mann gegangen war - und ich konnte seine Spur nicht finden! Ich konnte sehen, wo Ratten durch den Flur gelaufen waren, aber ich konnte seine Spur nicht finden.«
Seraph berührte Lehrs Schulter. »Es ist schon gut«, sagte sie und sie hoffte, damit die Wahrheit auszusprechen.
17
O hne Scheck hätte Tier noch eine Woche länger warten müssen, bevor er nach Redern aufbrach, aber die weichen Bewegungen des alten Pferds schadeten seinen Rippen nicht allzu sehr. Scheck schien zu wissen, dass Tier verwundet war: Nicht einmal Guras nervöses Hin und Her um seine Beine bewirkte, dass das alte Streitross aus dem Tritt geriet.
Wenn Tier daran dachte, nicht zu tief zu atmen, tat es nicht einmal allzu weh - aber das machte er nicht gern, weil Seraph ihn dann nur noch beunruhigter ansah. Sie hatte warten wollen, aber er musste nach Redern zurückkehren - er brauchte all seine Kinder um sich, wo er sie beschützen konnte.
Ein neuer Schatten durchwanderte das Land.
Sicher, es gab auch andere Erklärungen für alles, was geschehen war. Tier war nicht einmal sicher, ob Seraph es glaubte, zumindest bei Tageslicht - aber die Heilerin wusste es. Sie hatte nichts gesagt, aber er konnte es in ihren Augen sehen.
Tier warf einen Blick zu dem bunten Wagen, in dem Brewydd saß. Es war sie, dachte er, die Benroln dazu bewogen hatte, Tier und seine Familie zurückzubegleiten. Außerdem war Benroln der Ansicht, Phoran werde ohne die Hilfe von Reisenden besser dran sein, nachdem der Sept von Gerant eingetroffen war.
Zweifellos hatte der Clanführer damit recht. Der Sept von Gerant hatte etwas Ähnliches gesagt, als er statt des Kaisers gekommen war, um Tier zu verabschieden. Die politische Situation
war labil, und Phoran konnte sich vor allem deshalb an den Thron klammern, weil es nur so wenige von kaiserlichem Blut gab, die ihm den Thron streitig machen konnten. Phoran selbst hatte Tier insgeheim am Abend vor ihrem Aufbruch eine gute Reise gewünscht.
»Ich mag deinen Gerant«, stellte Seraph fest. »Er erinnert mich ein bisschen an Ciro. Still und bescheiden, bis man ihn braucht.«
Tier lächelte auf seine Frau hinab, die neben seinem Steigbügel ging, als hätte sie Angst, er könnte aus dem Sattel fallen. »Er mochte dich auch. Sagte, ich hätte einen guten Tausch gemacht, als ich nicht dem Schwert, sondern dir folgte.«
»Er lachte, als du darüber sprachst, dass du Bauer bist«, erinnerte sie sich.
Tier warf ihr einen scharfen Blick zu, aber sie hatte den Kopf gesenkt und betrachtete den Boden.
»Dieses Jahr bin ich keiner«, sagte er. »Aber das Geld, das Phoran uns gegeben hat, wird genügen, um das Jahr zu überleben und ein anderes Pferd zu kaufen, das Frost nächstes Jahr zur Pflanzzeit ersetzen kann.«
»Du glaubst nicht wirklich, dass wir nächstes Jahr das Feld bepflanzen werden«, sagte sie leise und hob die Hand, um sie auf seine Wade zu legen.
Er schüttelte den Kopf, dann merkte er, dass sie ihn nicht ansah. »Nein«, sagte er.
Sie machte einen Schritt näher zu Scheck, bis sie ihre Schulter an Tiers Bein drücken konnte. »Ich weiß nicht, was uns erwartet, aber ich glaube nicht, dass der Pirschgänger schon mit uns fertig ist.«
Jes lachte, und Tier blickte auf und sah, wie der Rabe Hennea von seinem Sohn wegstolzierte. Zuerst hatte er geglaubt, sie sei jünger als Seraph, bis er sich ihre Augen einmal gut angeschaut hatte. Als er Seraph gefragt hatte, hatte sie geantwortet,
sie wisse auch nicht, wie alt Hennea sei. Raben lebten selten so lange wie Lerchen, aber es konnte sehr schwierig sein, ihnen ihr Alter anzusehen.
Er hatte sich Gedanken gemacht, bis ihm aufgefallen war, wie sie Jes anschaute, wenn sie glaubte, dass niemand es bemerkte. Er wusste, wie Liebe aussah.
»Heute«, sagte Tier zu Seraph, »scheint die Sonne warm auf mein Gesicht. Heben wir uns den Ärger von morgen für morgen auf.«
ZWEITES BUCH
PROLOG
I m achten Jahr der Herrschaft Phorans des Sechsundzwanzigsten starb der Sept von Leheigh. Sein Sohn Avar, der lange in Taela ein Saufkumpan des jungen Kaisers gewesen war, reiste zu den Ländereien, die sein Vater ihm vererbt
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