Rabenzauber
und seiner Wärme. »Lass mich dir helfen«, sagte er. »Und ich werde auch zulassen, dass du mir hilfst.«
Er führte sie weg vom Weg und durch die Bäume zu einer Lichtung mit einem kleinen Bach, weichem Gras und Schatten. An diesem abgelegenen Ort verwandelte er ihren Zorn und seinen eigenen mit Berührungen und leise gemurmelten Worten zu etwas anderem - etwas Warmem, Lebendigem, Triumphierendem.
Danach sagte Seraph, nun nackt, atemlos, verschwitzt und für einen Augenblick zur Ruhe gelangt: »Wir werden nach Colossae gehen und die große Bibliothek der Zauberer suchen. Brewydd hielt sich lange genug am Leben, um uns diesen Rat zu geben - solche Dinge haben ihre eigene Macht. Wir werden eine Möglichkeit finden, gegen diesen neuen Schatten zu kämpfen. Dann vernichten wir ihn, damit er keinen Schaden mehr anrichten kann.«
Sie sagte ihm nicht, dass sie nicht wusste, wo sich Colossae befand. Sie sagte ihm nicht, dass Hennea oder sie, selbst wenn sie diese Bibliothek entdeckten, kaum imstande sein würden zu finden, was sie brauchten, oder es vielleicht auch einfach nicht lesen könnten. Sie sagte ihm nicht, dass die Möglichkeiten, Tier zu helfen, selbst wenn sie all das fanden, wovon Brewydd Lehr erzählt hatte, gering sein würden. Sie sagte ihm nicht, dass man mit einem Schatten, der schon zweihundert Jahre gelebt hatte, kaum so einfach fertig werden könnte. Das brauchte sie nicht. Er wusste es bereits.
»Also gut«, erwiderte Tier, seine Stimme ein angenehmes Knurren an ihrem Ohr. »Wo fangen wir an?«
Jes saß auf der Verandabank, als sie und Tier zurückkehrten. Sein Gesicht war immer noch blass und abgehärmt, aber er vibrierte beinahe vor unterdrückter Energie.
»Sie sind alle wieder da«, sagte er. »Hennea, Rinnie und Phoran und seine Gardisten. Lehr ist lange genug aufgewacht,
um ihnen von Colbern und Benrolns Clan zu erzählen, aber dann schlief er wieder ein.«
»Geht es dir besser?«, fragte Tier. »Oder fühlst du dich auch noch krank?«
Jes schüttelte den Kopf. »Lehr bekam es als Erster, und der Hüter hat den Schatten aus mir vertrieben, als er sich um Lehr kümmerte. Ich bin einfach nur müde. Zu viele Leute im Haus.«
»Du kannst draußen bleiben«, sagte Seraph. »Brewydd hat uns gesagt, dass wir nach Colossae gehen müssen, also werde ich die Landkarten holen und sehen, ob wir herausfinden können, wo es liegt.«
»Ich komme rein«, erklärte er. »Manchmal weiß der Hüter Dinge, die ich nicht weiß.«
Seraph öffnete die Tasche und breitete mithilfe von einem Dutzend Steinen, mit denen sie die Ecken beschwerte, die Karten auf dem Tisch aus, wo alle sie sehen konnten.
Brewydd hatte den Jungen gesagt, sie müssten Colossae finden, wenn sie Tier und Phoran retten wollten, obwohl sie nicht sicher gewesen war, was in der Stadt ihnen helfen könnte.
Als Seraph sich die Landkarten ansah, ließ ihr Optimismus schnell nach. Es gab den Stadtplan und vier Landkarten, auf denen Colossae verzeichnet war, alle aus der Tasche, die Rinnie gefunden hatte. Drei Karten sahen ganz normal aus, aber die vierte hatte so viele Linien, dass man schwer sagen konnte, was Straße und was Stadt war. Selbst auf den Karten, die leicht zu lesen waren, waren die Straßen und auffällige landschaftliche Zeichen seit tausend Jahren überholt.
Tier warf einen Blick auf seine Truppe.
»Zusammengerechnet«, sagte er, »sind wir durch den größten Teil des Reichs geritten. Wir werden diese Landkarten genau betrachten und sehen, ob jemand etwas Vertrautes entdecken kann.«
Jes setzte sich neben Hennea, stand aber beinahe sofort wieder auf, um hinter Henneas Seite des Tischs auf und ab zu gehen, bis Rinnie ihn bat, ihr bei den Vorbereitungen zum Abendessen zu helfen. Sie gab ihm ein paar Dinge zu tun, aber wenn er zwischendurch die Augen schloss und sich an die Wand lehnte, ließ sie ihn in Ruhe. Braves Mädchen, dachte Seraph.
Lehr hatte sich ins Schlafzimmer seiner Eltern unter dem Dach zurückgezogen, und nicht einmal der Lärm, den die vielen Menschen in dem Raum unter ihm machten, schien seinen Schlaf zu stören.
Phoran und seine Männer diskutierten leise über die Ähnlichkeit eines Hügels in der Nähe von Taela mit etwas, was auf einer der Karten dargestellt war, obwohl kein anderer Aspekt der Karte dazuzupassen schien.
Hennea, die den größten Teil der vergangenen Woche damit zugebracht hatte, sich die Landkarten anzusehen, war gefasst und still, ähnlich wie Seraph selbst, aber Jes
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