Rabenzauber
ging zum Ende der Veranda. Er hob die Hand, um die Augen zu beschirmen, als könnte ihm das helfen, um die Kurven zu sehen. Gura fing an, mit dem Schwanz zu wedeln.
»Die Jungen kommen zurück«, sagte Seraph.
»Oder es sind die anderen, die nach dem Angeln einen Umweg genommen haben.« Aber Seraph konnte deutlich den Eifer in der Stimme ihres Mannes hören.
Gura verdoppelte das Tempo seines Wedelns, und dann fing er an, laut zu bellen.
»Geh und hol sie«, sagte Tier.
Der Hund wartete nicht auf eine zweite Aufforderung, sondern schoss so schnell er konnte den Weg entlang. Tier grinste Seraph breit und erleichtert an und wartete darauf, dass die Jungen um die Ecke bogen.
Aber das taten sie nicht.
»Zu lange«, sprach Tier Seraphs Gedanken aus.
»Geh schon.«
Er sprang beinahe so schnell wie Gura von der Veranda und rannte in jenem Wolfstrab den Weg entlang, mit dem er schon so viele Meilen im Wald zurückgelegt hatte. Er hinkte nicht, und Seraph hoffte, dass er ehrlich gewesen war, als er sagte, es gehe seinen Knien viel besser. Wie auch immer, er würde nicht aufhören zu laufen, bis er sie fand.
Seraph ging ins Haus, holte das Brot heraus, das sie am Vorabend gebacken hatte, schnitt es in Scheiben und bestrich es mit Butter. Die Jungen würden Hunger haben; ihre Jungen hatten immer Hunger.
Es würde ihnen gut gehen. Sie wiederholte die Worte immer wieder.
Schließlich ging die Haustür auf, und statt des kühlen Grußes, den sie geplant hatte, um sich die Freude nicht anmerken zu lassen, sagte Seraph sofort: »Leg ihn aufs Bett. Hast du ihn den ganzen Weg den Hügel hinunter getragen?«
Sie zog Lehrs Bettdecke zurück, sodass ihr finster dreinschauender, nass geschwitzter Mann ihren Sohn auf sein Bett legen konnte.
»Nein, das hat die Stute getan«, sagte Tier und half ihr, Lehr, der sich nicht einmal rührte, die Stiefel und die schmutzige Kleidung auszuziehen »Jes ist draußen und kümmert sich um sie.«
Als sie fertig waren, half Tier Seraph, Lehr gut zuzudecken.
»Ich gehe raus und kümmere mich weiter um das Pferd«, sagte Tier. »Jes sieht nicht viel besser aus als Lehr - obwohl er
zumindest noch auf den Beinen ist -, aber er wollte die verdammte Stute nicht auf mich warten lassen.«
»Jemand muss ihm beigebracht haben, wie man störrisch ist«, sagte Seraph kühl.
Tier grinste sie müde an und berührte ihre Wange. »Sie sind in Ordnung, Kaiserin«, sagte er. »Sehr erschöpft, aber nicht verwundet. Entspann dich.«
Seraph wartete, bis Jes mit dem Eintopf, den sie für ihn aufgewärmt hatte, und dem Brot fertig war, dann verschränkte sie die Arme und fragte: »Was ist passiert?«
Jes lächelte schwach in ihre Richtung, und das ließ ihn noch erschöpfter aussehen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, ihn so zu bedrängen, und schlechtes Gewissen machte sie immer zornig, selbst wenn sie wirklich keinen Grund dazu hatte. Sie zog die Brauen hoch.
»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll«, sagte er, und sein Lächeln erstarb schneller, als es gekommen war. »Rongiers Clan ist tot. Ebenso wie ganz Colbern. Lehr hat die Mauern versiegelt, damit niemand die Stadt betreten kann, bis das wieder ungefährlich ist.«
Seraph setzte sich hin und achtete darauf, einen geraden Rücken und eine beherrschte Miene zu wahren. Es war wichtig, dass sie sich unter Kontrolle hatte.
»Ihr habt die ganze Stadt tot vorgefunden?«, fragte Tier. »Sind sie alle an der Seuche gestorben? Es gibt nicht viele Krankheiten, die so viele töten.«
Lehr stöhnte, dann setzte er sich hin. »Die Götter sollen es holen!«, stieß er hervor. Dieser Fluch war in Redern ziemlich verbreitet, aber Seraph hatte nie gehört, dass Lehr ihn aussprach. »Wenn ich Jes erzählen lasse, werdet ihr nie herausfinden können, was passiert ist - aber wenn ich fertig bin, will ich wieder schlafen.«
Er setzte sich in den Schneidersitz, stützte die Ellbogen auf die Knie und den Kopf in die Hände, als hätte er Kopfschmerzen. »Jes tauchte auf, bevor ich am ersten Tag mein Lager aufschlug. Wir folgten der Landkarte und fanden eine Abkürzung nach Colbern.«
Mit prägnanten, müden Sätzen beschrieb Lehr, was sie dort vorgefunden hatten. Seraph lauschte, ohne ihn zu unterbrechen, als er ihnen von Brewydd und der Schattenseuche erzählte.
»Ich glaube, sie dachte, sie hätte uns immun dagegen gemacht«, murmelte Lehr. »Aber wir haben uns dennoch angesteckt, sowohl Jes als auch ich. Ich weiß nicht, wieso wir nicht gestorben sind
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